Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden. Sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen“

Das Spielmobilprojekt der Kindervereinigung Leipzig e.V.

„Große leuchtende Kinderaugen“ sind für Oliver Schönberner einer der Hauptgründe, warum er seine Arbeit so sehr liebt. Enthusiastisch und offenkundig berichtet er von seiner langjährigen Arbeit als Leiter des Spielmobilteams der Kinder-vereinigung Leipzig e.V. in Zusammenarbeit mit der Kaos Kulturwerkstatt.

Vereinssitz der Kaoskulturwerkstatt und der Kindervereinigung Leipzig e.V.

Das Vereinsgelände in der Wasserstraße 18 in Leipzig Lindenau wirkt wie eine kleine Oase innerhalb der aufgeweckten Messestadt. Zwischen idyllischen Kleingärten hindurch gelangt man am Ende der Straße zu einer beschaulichen Villa. Durchschreitet man das große Metalltor, steht man vor einem großen bunten Wegweiser. Ein kleiner See umrahmt das Anwesen und gibt den Besuchern die Möglichkeit, Enten zu beobachten oder einfach entspannt die Natur zu genießen und dabei vom alltäglichen Großstadttrubel abzuschalten. Liebevoll angelegte Rundwege, der Duft vieler bunter Blumen und das ausgelassene Vogelgezwitscher runden die Atmosphäre harmonisch ab.

Luftansicht des Vereinsgeländes

An diesem selbst geschaffenen Wohlfühlort liegt viel positive Energie in der Luft, die hier tatkräftig genutzt und umgewandelt wird. Das Spielmobil-projekt steht deutschlandweit für Spiel, Spaß und Sport im Freien. Sie sind sehr beliebt bei Familien aller Gesellschaftsschichten. In Leipzig befahren die grüne „Peter Pan“ und die rote „Kaos“ mit jeweils zwei pädagogischen Mitarbeitern rund ums Jahr die ausgewählten Einsatzorte.

Auf die Plätze – fertig – los!

In sieben Leipziger Stadtteilen werden von Montag bis Freitag von 15 – 18 Uhr verschiedene Aktivitäten angeboten. Entsprechend der aktuellen Wetterverhältnisse variiert das Spielzeuangebot in den beiden Transportern ständig und bietet jedem mit insgesamt 320 Spielen und Sportgeräten eine interessante Beschäftigung. Immer mit dabei sind allerhand Fahrzeuge, Trampolin, Tischhockey und verschiedene Gesellschaftsspiele.

Übersicht der Einsatzorte und -zeiten

Die rollenden Jugendzentren machen Wiesen und Parkanlagen zum Raum für Spiel, Kommunikation und Interaktion für Groß und Klein. „Wir sind erst vor Kurzem hergezogen. Für meine Tochter war das eine tolle Möglichkeit, Kinder aus der Umgebung kennenzulernen. Sie hat sich hier schnell öffnen können. Durch die netten Betreuer und das unbeschwerte Beisammensein fühlt man sich wirklich willkommen.“ berichtet eine der anwesenden Mütter.

„Das Spielmobil funktioniert erst, wenn die Mitarbeiter selbst verrückte Spielkinder sind!“, verrät uns der Projektleiter. Unter diesem Gesichtspunkt plant das Team gemeinsam die vielfältigen Aktivitäten und Workshops für verschiedene Altersklassen. Dabei wird gezielt das eigene Interesse der SpiMos, wie sich die Mitarbeiter des Teams selbst bezeichnen, berücksichtigt. Oliver beschäftigt sich am liebsten mit Rollbrettern und Jonglage. Auch das Ausdenken und Bauen eigener Spiele stehen bei ihm hoch im Kurs. Daher bietet er häufig Aktivitäten in dieser Richtung an und lässt sich beispielsweise beim Bau besagter Rollbretter gern von den Besuchern der “Peter Pan“ unterstützen.

Während der Sommerferien werden neben erfrischenden Wasserschlachten auch viele natur-nahe, sportliche, handwerkliche oder kreative Projekte, wie Workshops zum Thema Graffiti, Street Art, Hula-Hoop, Bogenschießen und Holz-arbeiten, realisiert. Das Klettern im Niedrigseil-garten und das Naturprojekt in Zusammenarbeit mit der Auwaldstation gelten als besondere High-lights der Ferienzeit.

Peter Pan im Einsatz

Als „Spielzeug-Gott“ regelt Oliver Schönberner nicht selten Streitigkeiten unter den kleinen Besuchern, bei denen überforderte Eltern häufig an ihre Grenzen kommen. Dass mehrere Kinder um ein Spielzeug streiten, gehört für ihn fast zum Alltag. Dann fungiert er als Geber, Vermittler oder auch als Nehmer. „Kinder fordern Regeln“ erklärt er. Wenn dann also ein beliebtes Spielgerät eingezogen wird, weil es zu keiner sinnvollen Einigung untereinander gekommen ist, werden die Betroffenen beim nächsten Mal einen anderen Lösungsweg suchen.

Eine Nestschaukel hängt am Ast einer großen Kastanie. „Ich will auch“ quängelt einer der wartenden Jungen trotzig. „Das kleine Mädchen hat sich aber gerade erst hingesetzt,“ beschwichtigt eines der älteren Kinder, das die Schaukel gerade in Schwung bringt. „Fünf Minuten, ok? Du kannst ja solange anschubsen und als nächstes bist du an der Reihe.“ Die Gesichtszüge des Jungen entspannen sich spontan, er springt auf und schaukelt das kleine Mädchen beherzt, aber vorsichtig an, während die Ältere sich dem wenig entfernten Tischhockey zur ihrer Rechten zuwendet. Alle sind mit der Absprache einverstanden und nach fünf Minuten sitzt der Junge auf der Schaukel und bekommt von seinen Kumpels neuen Schwung.

Kindergartenkinder bei einer Mini-Rallye

Einige Meter weiter wirbelt Staub auf, als eine Gruppe Kindergartenkinder auf ihren verschie-denen Gefährten vorbeidüst. Sie scheinen ein kleines Rennen untereinander zu veranstalten. Der Verlierer muss sein Fahrzeug an den Nächsten abgeben. So haben es die kleinen Rallye-Fahrer untereinander festgelegt. Und das funktioniert auch – ohne Diskussion, Zoff und schlechte Laune.

Natürlich kommen auch die Sozialpädagogen hin und wieder an ihre Grenzen. So kann es bei Ausartungen schon einmal dazu kommen, dass aufgrund von Vandalismus, Diebstahl oder Beleidigungen, zumeist ausgehend von renitenten und pubertierenden Jugendlichen, die Zelte abgebrochen werden müssen.

Die Tandem Besetzung (Mann-Frau) der Fahrzeuge hat sich in den letzten Jahren bewährt und ist als solche auch grundsätzlich angedacht, um das Bedürfnis der Kinder nach Diversität zwischen den Geschlechtern abzudecken. Dies stellte für Oliver jedoch Ende letzten Jahres eine große Hürde dar: Der langjährige Kollege Christian hatte das Team verlassen. Die Anzahl weiblicher Bewerber für die frei gewordene Stelle war, wie so oft im sozialpädagogischen Bereich, deutlich höher als die der männlichen. Drei Monate dauerte es, den passenden Bewerber für dieses Arbeitskonzept zu finden, der sowohl das Bedürfnis der Kinder, als auch das der Gesellschaft nach Gleichberechtigung und -stellung abdeckt, ohne dabei wegen Diskriminierung oder Sexismus in Verruf zu geraten. Heute ist das Team in seiner traditionellen Tandem-Besetzung komplett und kann die Plätze wieder wie gewohnt anfahren.

Friedrich Paulikat, Janka Schlawin, Julia Schwerm & Oliver Schönberner

Hier sind alle gefragt: Unterstützung und Mitgestaltung

Der Verein fungiert in Zusammenarbeit mit kommunaler Jugendförderung. Ausstattung und Einsatz der „Peter Pan“ und der „Kaos“ werden zum größten Teil von der Stadt finanziert. Wer das Projekt als Privatperson unterstützen möchte, kann dafür das Spendenkonto der Kindervereinigung Leipzig e.V. unter dem Betreff „Spielmobil“ nutzen. Sachspenden sowie tatkräftige Unterstützung, wie zum Beispiel beim Auf – und Abbau, werden dankend angenommen. Auch neue Ideen und Änderungsvorschläge nimmt das Team gern entgegen. Wer sich darüber hinaus aktiv beteiligen möchte, kann sich jederzeit auf Instagram, Facebook oder der Vereinswebsite über aktuelle Anliegen informieren oder einfach bei den SpiMos vor Ort nachfragen.

Pandemisch

Auch die Spielmobile blieben von der Pandemie und ihren Einschränkungen nicht verschont. Besonders auf beruflicher Ebene im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit „war es eine schwierige und frustrierende Zeit.“, berichtet Oliver. Nicht nur die allgemeinen Schutzmaßnahmen machten die ersten Lockdowns zu einer Herausforderung. Auch das damit verbundene Durcheinander und die Unsicherheit innerhalb örtlicher Behörden erschwerte die Situation erheblich für Oliver und seine Kollegen Das Gesundheitsamt bestand plötzlich auf einen Trinkwasseranschluss, welcher in den meisten Parks nicht vorhanden ist. Das Team organisierte also eine entsprechende mobile Trinkwasserstation von den Wasserwerken der Stadt Leipzig, um die Versorgung sicherzustellen. Dies genügte dem städtischen Gesundheitsamt jedoch nicht, bot aber auch keine weiterführenden Lösungsmöglichkeiten für den Verein an. So war es um den ersten Lockdown ein halbes Jahr lang nicht möglich, die Spielmobileinsätze zu gewährleisten. Es wurde daher, wie in vielen anderen öffentlichen Bereichen, eine digitale Alternative geschaffen, die „bound“- App. Diese ermöglichte es, spannende Schatzsuchen und lehrreiche Führungen für Mobilgeräte anzubieten. Diese kurzfristige Ausweichmöglichkeit kann jedoch den Einsatz der rollenden Kinder- und Jugendzentren nicht aufwiegen, geschweige denn ersetzen.

Im Zuge der Datenerfassung um Covid19 brachten die SpiMos einen Kasten für die ausgefüllten Formulare der Besucher am Zaun an. Es gab nun einen eingegrenzten Spielbereich für bis zu zehn Kinder gleichzeitig, welche jeweils 30min Zeit innerhalb des Areals verbringen durften. Anschließend rückte das nächste Kind nach. „Viele Eltern erinnerte der Kasten wohl an eine Spardose, denn wir erhielten während dieser Zeit ungewöhnlich viele Platzspenden.“, verrät uns der Projektleiter.

Flucht nach Vorn – Willkommenskultur durch Spiel

Das Spielmobilprojekt engagiert sich zudem bei zahlreichen Kinder-, Jugend- und Spielfesten der Stadt Leipzig. Seit 2016 fahren sie darüber hinaus regelmäßig jeden Dienstag eine Flüchtlingsunterkunft in Leipzig an, um hier die Integration weiter voranzubringen.

Graffitti zum Vereinsjubiläum

Das Projekt der Bundesgemeinschaft der mobilen, spielkulturellen Projekte (BAG Spielmobile e.V.) wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Oliver Schönberner kam 2009 aus dem offenen Treff zum Projekt der Kindervereinigung Leipzig e.V. und ist heute Leiter des SpiMo-Teams. „Damals gab es keine festen Angebote“, berichtet er. „Wir bekamen Anfragen verschiedener Initiativen und fuhren zuerst die Richard Wagner Halle an. Das bundesweite Projekt „Willkommensstruktur durch Spiel“ leitete dann regelmäßige Besuche in einer Flüchtlingsunterkunft in einer ehemaligen Kaserne in der Torgauer Straße ein. Die Arbeit vor Ort beschreibt Oliver als interessant, aber schwierig. „Es war eine stressige und anstrengende Zeit. Kinder aus anderen Kulturen sind mit anderen Regeln aufgewachsen, was mitunter die Akzeptanz unserer Normen und Werte erschwerte. Da prallen Welten aufeinander“, Drogen und Gewalt waren immer wieder Thema, was die Arbeit der SpiMos umso wichtiger macht.

Wie das Spielmobil das Licht der Welt erblickte

Die Idee der rollenden Kinder- und Jugendzentren entstand zwischen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in Westdeutschland und entwickelte sich parallel zur Abenteuerspielplatz-Bewegung.

Hauptanliegen war dabei die Zurückgewinnung des öffentlichen Raums für Kinder und Jugendliche nach der Industrialisierung. Beide etablierten sich als alternative Methoden bei der Entwicklung offener Kinder- und Jugendarbeit.

Im Sommer 1972 wurde im ARD –Programm die erste von 184 Folgen der Fernseh-Kinderserie „Das feuerrote Spielmobil“ gesendet, welche sich großer Beliebtheit erfreute und auch heute noch so Manchem im Gedächtnis ist.

Durch die Suche nach alternativen und innovativen Methoden in der Kinderarbeit im internationalen Jahr des Kindes 1979 und durch das Umdenken in der Politik (Die Kinder von heute sind die Wähler von morgen), erfuhr der mobile Ansatz eine Aufwertung und eröffnete damit Möglichkeiten zu einer Welt, die für Kinder wünschenswert und voller Entfaltungsmöglichkeiten ist. Das Spielmobilprojekt liefert dabei den Rahmen für die Gestaltung eines kindgerechten Lebensraums und fördert damit gleichzeitig wertvolle soziale Kompetenzen der Heranwachsenden.

Der Spielmobilkongress bietet seit Ende 1970 Austausch zwischen Trägern, Förderern und Interessierten für Spielfeste, Workshops, Praxis- und Projektberichte und Vorträge zum aktuellen Wissensstand. Dabei variiert jährlich der Ort ebenso wie das Schwerpunktthema. Einige Losungen waren beispielsweise „Homo ludens – der Mensch zwischen Tradition und Umbruch“, „Migration der Spiele – Spiele der Migranten“, „Zukunft im Quadrat“, „Schwierige Kinder“, „Und sie spielen trotzdem – Spiel in Bewegung“, „Spielend forschend“ oder „Veränderte Kindheit“.

Alles gleich und doch nicht dasselbe

Spielen ist eine elementare Form der individuellen Weiterentwicklung und „die einzige Form des Lernens, die ohne Druck auskommt.“

„Du kannst machen, was du willst“, wie Oliver Schönberner gern sagt, bildet den Grundstein des Projekts. Die Arbeit der Spielmobile ist in ihrem Konzept dennoch unterschiedlich ausgerichtet und insgesamt sehr heterogen organisiert. Es orientiert sich an sozial-, erlebnis-, kunst- und freizeitpädagogischen Ansätzen und vereint Erlebnis- und Spielpädagogik als Methoden der sozialen Arbeit. Herausgebildet haben sich dabei zwei Haupttendenzen: einerseits die sozialpädagogische, andererseits die kulturpädagogische Ausrichtung.

Die sozialpädagogische Motivation sieht einen kompensativen Auftrag darin, gesellschaftlichen Defiziten durch karitativem Wirken entgegenzusteuern. Dabei soll gerade in Problembezirken das Angebot für Heranwachsende ergänzt werden, um individuelle Schwierigkeiten, wie motorische Unterentwicklung, geringes Bildungsniveau oder unzureichende soziale Kompetenzen aufzufangen. Neben Koordination und Motorik werden auch Ethik und Moral, sowie das Gemeinschaftsgefühl geprägt und gefestigt, indem die Kinder untereinander Absprachen treffen und die verschiedenen Gerätschaften abwechselnd nutzen müssen. Das hilft unter anderem dabei, sich später in größeren Gruppen zurecht zu finden und sich als sinnvoll in die große Masse einzugliedern.

Kaos (links) und Peter Pan (rechts)

Ziel der kulturpädagogischen Arbeit ist es Lern- und Bewusstseinsprozesse zu initiieren. Dabei ist die Kulturpädagogik Instrument, Experimentierfeld und anregungsreicher Raum, in dem sich Interes-sierte neuen Ideen und Entwicklungen stellen können. Dem passiven Kulturkonsum wird dabei gezielt das eigene schöpferische Tun entgegen-gesetzt.

Ungeachtet des jeweiligen Konzepts ist das Spielmobilprojekt eine wahre Bereicherung für jedes Kind. Frische Luft, Sonne, Lachen und neue Herausforderungen bilden eine ideale Basis für die Gesundheit von Körper und Seele. Persönliche und gesellschaftliche Stärke sowie die Charakterentwicklung jedes Einzelnen können hier spielend leicht wachsen und gedeihen. Diese positive Energie gilt es zu nutzen und in die richtige Richtung zu lenken. Das Angebot aktiv zu nutzen und diesen Tipp an andere Eltern weiterzugeben, hilft den Kindern den gegebenen Spielraum zu erweitern und lässt künftig auf eine besonnenere Gesellschaft hoffen, in der beispielsweise die Nächstenliebe wieder mehr Platz findet und in der sich jeder Einzelne als Teil eines Ganzen versteht, ganz nach dem Motto „Viele Blätter, ein Baum.“ Möglicherweise weicht so der Zerfall der Gesellschaft unter dem Deckmantel „keine Absicht“ einer Lösungsfindung auf der Grundlage von Vorsicht und Rücksicht. Es kann helfen die Welt in ihren Grundzügen zu verstehen und Lösungswege zu entwickeln, welche im Einklang mit ihrer Umwelt (sowohl Mensch als auch Natur) sind. Viktor Schauberger (1885-1958), österreichischer Förster, genialer Erfinder und Naturforscher sagte: „Die Menge glaubt, dass alles schwer Begreifbare tiefsinnig sei. Das ist unrichtig. Schwer begreifbar ist nur das Unreife, Unklare und oft Falsche. Die höchste Weisheit ist einfach und geht durch den Schädel direkt ins Herz!“

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