Der Bahnhof Leipzig-Plagwitz im Wandel der Zeiten (III)

Unter dem Kürzel „LLP“ führt heute die Deutsche Bahn den Bahnhof Leipzig-Plagwitz. Zwei Bahnsteige stehen dem S-Bahn- und Regionalverkehr zur Verfügung, ein paar Abstellgleise nutzt der Güterverkehr. Der Rest des großflächigen Areals wird anderweitig genutzt. Der „Bürgerbahnhof Plagwitz“ präsentiert sich als Bahnhof ohne Eisenbahn.

Nach der politischen Wende ging es mit den 90.000 Industriearbeitsplätzen in Leipzig-Plagwitz binnen kürzester Zeit bergab. Der Weg in die nachindustrielle Gesellschaft verlief als radikaler Bruch. An Workshops mit ehrgeizigen Ideen mangelte es in dieser Zeit nicht, hochwertiges Gewerbe sollte entlang der Hauptnetzstraßen entstehen, klassische Industrie am Bahnhof. Beim Münchener Büro Manfred Rübesam entwarf man gleich einen See anstelle des Bahnhofs – spektakulär umgeben von einer Manhattan-Skyline.

Die Realität sah hingegen etwas nüchterner aus und brachte manchen Kompromiss. Kurzzeitig nutzte man die stadtnahe Lage des Plagwitzer Bahnhofs für die Verladung von Neuwagen als auch zum Abtransport ausrangierter Straßenbahnen. Doch dieser Standortvorteil währte nur kurz. Straßentransporte und Streckenstilllegungen bestimmten auch hier das Bild. Im Jahre 1998 wurde die Bahnverbindung von Plagwitz nach Pörsten stillgelegt, 2002 endete der Personenverkehr auf der Strecke nach Gaschwitz. Der Schwermaschinenbau Kirow als letzter großer Anschließer am Güterbahnhof bekam 2004 eine neue Gleisanbindung über die S-Bahn-Strecke nach Miltitz.

Neubau der S-Bahn-Strecke Bahnhof Plagwitz

Der Neubau der S-Bahn-Einbindung zeigt den Umfang der Umbauarbeiten am Plagwitzer Bahnhof

Am reibungslosesten ging die Nachnutzung des repräsentativen Empfangsgebäudes vonstatten, das seit 1992 eine Gaststätte und eine Autovermietung beherbergt. Als 1992 die Karl-Heine-Straße umgestaltet wurde, hatte man sich von manchen ehrgeizigen Ideen, wie dem Erhalt der Industriegleise, bereits verabschiedet. Im Rahmen des Machbaren entsprechend dem „Strukturkonzept B“ plante man, auf Teilstücken verbliebener Gleisverbindungen Rad- und Wanderwege anzulegen. Auf zwei der ehemaligen Verladestationen sollten Stadtteilparks entstehen.

Zwei alte Plagwitzer Defizite lösten sich beinahe im Alleingang: Flächendeckende Abrisse schafften bauliche Freiräume und die Natur ließ Grünstreifen entstehen. Doch der nachhaltige Stadtumbau benötigte noch jede Menge Zeit, Engagement und finanzielle Mittel.

Impulse durch Weltausstellung
Mit dem externen EXPO-Standort „Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert“ war ein Teil der alten Industriegleise in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Das historische Erschließungssystem sorgte für bessere Wege und Grünstreifen. Für die wenigen noch verbliebenen Industriebetriebe spielten Anschlussgleise ohnehin keine Rolle mehr, die weitläufigen Gleisanlagen des Güterbahnhofs Plagwitz lagen brach. Die Vegetation begann, sich das Areal zurück zu holen. Es bot der streng geschützten Zauneidechse und manchen seltenen Insektenarten eine neue Heimat.

Reste Verladeanlagen Bahnhof Plagwitz

Die Verladeanlagen am Bahnhof Plagwitz holte sich die Natur binnen weniger Jahre zurück

Im Zuge der Errichtung des City-Tunnels erfolgten ab 2009 groß angelegte Umbauarbeiten am Plagwitzer Bahnhof. Die künftige S-Bahn-Station verschob man nach Norden, zwei Seitenbahnsteige ersetzten die alte Bahnsteiganlage mit den markanten Dächern. Auch das gesamte Gleisfeld des einstigen Zeitzer Bahnhofs verschwand, seither führen zwei durchgehende Hauptgleise durch das stark ausgedünnte Bahnhofsareal.

Zeitgleich zu diesem Radikalumbau machte sich die „Initiative Bürgerbahnhof Plagwitz“ daran, Aktivitäten und Ideen für eine neue Nutzung des ehemaligen Bahnhofareals zu bündeln. Das Spektrum reichte von Vereinen und Anwohnern über lokale Firmen bis zu Vertretern der Stadt. Der Schwerpunkt lag dabei nicht auf der Sammlung ausgefallener Ideen, sondern auf finanzieller Machbarkeit und vertraglicher Umsetzbarkeit.

Pfeiler alte Brücke Antonienstraße

Brach lag im Jahr 2011 auch das Gelände unter den Pfeilern der alten Antonienbrücke

Am 23. Mai 2013 erfolgte schließlich der symbolische Baggerbiss als Auftakt für die Umsetzung des ersten Bauabschnitts am sogenannten Nordkopf nahe der Naumburger Straße. Vorausgegangen war der erfolgreiche Abschluss langwieriger Verhandlungen zum Grundstückserwerb als auch die pragmatische Lösung zahlreicher Detailfragen. Der Umbau zum Bürgerbahnhof erfolgte als zeitlich gestaffelter Prozess in Nord-Süd-Richtung.

Bahnhof in Bewegung
Ende 2015 endeten die die Bauarbeiten an der Parkwiese und der so genannten „Bürgerprojektfläche“. Im Frühjahr 2016 zogen dort der Bauspielplatz und die Pfadfinder ein. Kurz darauf folgten die Bürgergärtner, im Jahr darauf kamen die ersten Obstbäume des Projektes „Essbare Stadt“ hinzu, seit dem Frühjahr 2018 begrüßt das Freiluftcafé „Heiter bis Wolkig“ seine Gäste. Die permanenten Veränderungen und Bewegungen entsprechen dem entwickelten Konzept, denn die Akteure vom Bürgerbahnhof Plagwitz verstehen ihr Projekt ausdrücklich als Experimentierfeld.

Der Hildegarten auf dem Bahnhofsareal

Zum neu entwickelten Bürgerbahnhof Plagwitz gehört auch der Hildegarten

Der umgebaute Bahnhof Plagwitz gehört aktuell zur Kategorie 5, der drittletzten Einstufung für die Bedeutung einer Bahnanlage. Der ehemalige Industriebahnhof ist zur lokalen Grünanlage gewachsen, die den Bürgern vor Ort verschiedene Nutzungsmöglichkeiten bietet. Teile des alten Bahnhofs sind auf der neuen Anlage als Gestaltungselemente vorhanden, die ihre Geschichte mitbringen und auch künftig weitererzählen können.

Der erste Teil des Beitrags zeichnet die Anfänge der industriellen Erschließung Plagwitz‘ nach.
Im zweiten Teil steht die Entwicklung des Plagwitzer Bahnhofs ab den 1920er Jahren im Mittelpunkt.

Bildquelle: Redaktion EinDruck

Der Neubeginn als Abwicklung
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