Eine kurze Geschichte der Botanik die nur unvollständig sein kann

Wie alles begann

In vielen Kulturen der Welt versuchte der Mensch durch das Sammeln von Pflanzen, seiner Nahrung mehr Genuss und Geschmack zu verleihen. Gleichsam nutzte er durch die Überlieferungen seiner Vorfahren bekannte Kräuter und Pflanzen für seine eigene Gesunderhaltung, der Heilung von Krankheiten und von Verletzungen. Das Wissen durch Probieren und Vergleichen hat sich dennoch erweitert und diese neuen Erfahrungen wurden an deren Nachkommen weitergegeben. Zudem waren die Menschen in ihrem Denken und Handeln ihrer Umwelt gegenüber, noch enger mit der Natur verwachsen. Sie nutzten die Möglichkeiten die Flora und Fauna ihnen gab. Man verstand sich noch als Teil der Natur, denn diese Natur gab ihnen ihr Leben. Den Menschen waren die Wirkungen bestimmter Pflanzen auf den Körper bekannt, jedoch fehlte ihnen noch die Erklärbarkeit. Mit dem Benutzen der Schrift war es möglich, dieses Wissen festzuhalten und darauf aufbauend, der bekannten Pflanzenwelt eine Struktur und Systematik geben zu können. Dieses Wissen fand in den verschiedensten Kulturen ihren Niederschlag und ermöglichte, neben einer methodischen Analyse der Pflanzenvielfalt, auch genauere Erkenntnisse zur medizinischen Wirkung einzelner Pflanzenteile zu finden und zu nutzen – etwa für die Zubereitung für Tee, von Tinkturen, sowie als Salben und Umschläge. Das reichhaltige und erstaunliche Wissen, das über die Jahrhunderte von unzähligen Forschern, Ärzten und Gelehrten in allen Kulturkreisen der Erde erlangt und für die Nachwelt aufgeschrieben wurde und für uns erhalten ist, kann hier an dieser Stelle, nur an einzelnen Beispielen erzählt werden. Es kann deshalb nur unvollständig sein. Es ist der Verdienst vieler ungezählter Menschen denen es in allen Zeiten gelang; aus ihrer eigenen Arbeit und ihrem unermüdlichen Schöpfertum die Grundlagen für die Botanik zu erschaffen. Ohne diese Gelehrten und deren Vorarbeiten über die Pflanzenheilkunde, wäre unsere jetzige wissenschaftliche Forschung in dieser breiten Vielfalt nicht möglich.

Von den Ursprüngen

Die Chinesische Pflanzenheilkunde kennt seit etwa fünftausend Jahren überlieferte und aufgezeichnete Methoden zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen. Vieles ging über die Jahrhunderte verloren oder ist heute unvollständig erhalten. Eine Handschrift mit dem Titel „Rezepte für 52 Beschwerden“ wurde in den Mawangdui Gräbern (Provinz Hunan) gefunden. Sie ist aus dem Jahr 168 vor unserer Zeitrechnung entstanden. In dieser Schrift sind für verschiedene Beschwerden die entsprechenden Arzneien vorgeschlagen. Gleichwohl bilden die überlieferten und erhaltenen medizinischen Schriften einen reichen Erfahrungsschatz, der durch neue Erkenntnisse und dem Erforschen der Pflanzen in ihrer Heilwirkung, dem damaligen Wissensstand entsprachen. Bis heute nimmt in China die Traditionelle Chinesische Medizin einen wichtigen Platz in der Vorbeugung und in der Heilung von Krankheiten ein. Dabei nutzt sie die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Forschungen in China.

Vom Papyrus Ebers bis zur Materia Medica   

In den Schriften der babylonischen, altägyptischen und indischen Kulturen sind neben der medizinischen Wirkung von Heilpflanzen, auch Ratschläge für das Sammeln und Aufbewahren festgehalten. Auch der Anbau bestimmter Pflanzen wird damals beschrieben. Einen herausragenden Platz der uns erhaltenen medizinischen Schriften, hat zweifellos der Papyrus Ebers. Dieses Werk ist nach seinem Erwerber, dem Leipziger Ägyptologie-Professor Georg Ebers (*01.03.1837  † 07.08.1898) benannt, den er auf seiner zweiten Forschungsreise im Jahr 1873 in Theben, einem einheimischen Antikenhändler für das Museum der Stadt Leipzig, abkaufen konnte. Dieser medizinische Papyrus ist über 3600 Jahre alt und in einem besonders guten Zustand. Die Entstehung des 18,63 Meter langen und in hieratischer Schrift, von rechts nach links geschriebenen Textes, fällt in die Regierungszeit von Amenophis I., der in den Jahren 1525-1504 vor unserer Zeit regierte. Es ist eine Kompilation, die aus 48 losen Blättern zusammengefügt wurde und in 108 Kolumnen unterteilt ist. Zudem ist dieser Papyrus ein Meisterwerk der ägyptischen Schreibkunst. Der Inhalt ist in 45 Abschnitte gegliedert und enthält neben magischen Formeln und Beschwörungen gegen Krankheiten, Rezepte zum Vorbeugen von Leiden, aber auch Nachweise für chirurgische Eingriffe am Menschen. So finden sich zum Beispiel im Abschnitt 23 Heilmittel zur Behandlung von Wunden, weitere Kapitel befassen sich mit Augenleiden, der operativen Versorgung von Abszessen und Tumoren oder dem Heilen von Knochenbrüchen. Für die wissenschaftliche Forschung ist der Papyrus von unschätzbarem Wert, zeigt er doch, dass die Menschen vor einigen tausend Jahren schon ein erstaunliches Wissen über die Natur und ein beachtliches Geschick im medizinischen Handwerk aufweisen konnten. Der Papyrus Ebers ist in der Albertina der Universität Leipzig in entsprechenden Schauräumen zu besichtigen.

Dioskurides und seine „Materia Medica“

Ein Wegbereiter, in Finden und Nutzen pflanzlicher Inhaltsstoffe, den sogenannten „Substanzen“, war der griechische Arzt Pedanios Dioskurides (*um 40 n. u. Z.  † um 90 n.u.Z.). In seiner „Materia Medica“ beschreibt Dioskurides die Inhaltsstoffe der Pflanzen und deren Wirkungen auf den menschlichen Organismus. In diesem, seinem Hauptwerk, das im 1. Jahrhundert unserer Zeit entstand, analysierte er dafür etwa 600 Heilpflanzen. Mit dem Wirken und Forschen von Dioskurides und seiner Zeitgenossen, ihrer beständigen Arbeit mit dem Studium der Flora und Fauna und dem Beobachten der Naturkräfte über alle Jahreszeiten hinweg, ist für die Nachgeborenen ein wissenschaftlicher Nachlass von unschätzbarem Wert hinterlassen worden.

Von römischen Landvillen bis Avicenna                                               

Der „Hortus Medicus“, aus dem Lateinischen abgeleitet, ist ein medizinischer Garten in dem Kräuter und Heilpflanzen angebaut und kultiviert werden. Diese Pflanzen und deren Bestandteile werden erforscht und für die Herstellung von Arzneien, zum Vorbeugen und Heilen von Krankheiten benutzt. Bis zu den uns heute bekannten Botanischen Gärten hatten unsere Vorfahren noch eine lange Reise vor sich. In den ersten Jahrhunderten unserer Zeit sind die Erkenntnisse über die Nutzung und die Beschaffenheit der Heilpflanzen enorm gewachsen. Es entstanden die ersten Einteilungen über die Arten von Gewächsen, sowie über den pflanzlichen Aufbau und deren Beschreibung.
Im 4.Jahrhundert u. Z. entstanden im Orient aus Einsiedlerkolonien die ersten uns bekannten   Klosteranlagen. Als das älteste christliche Kloster der Welt gilt das koptische Antoniuskloster in Ägypten, das von 361 bis 363 im Süden des Gouvernements as – Suwais errichtet wurde. Die von König Sigismund 515 in Auftrag gegebene Abtei Saint-Maurice, in der Schweiz im Kanton Wallis, ist das älteste ohne Unterbrechung bestehende Kloster in Westeuropa. In der ausgehenden Antike wurde, am Beispiel der ehemaligen römischen Landvillen, deren Gartengestaltung von den Klöstern übernommen. Diese waren zunächst reine Nutzgärten, in denen Gemüse, Kräuter und Obstbäume kultiviert wurden. Die Gärten waren zumeist rechteckig und in einzelne kleine Beete unterteilt. Dieses diente der Selbstversorgung der dort lebenden Menschen. Ab etwa dem 6. Jahrhundert wurden die Klöster so angelegt, dass sich in ihnen alles zum Leben Notwendige befand; mit der eigenen Wasserversorgung durch Brunnen, mit einer Mühle und dem Garten nebst der Möglichkeit, dass verschiedene Handwerke ausgeübt werden konnten. Zunehmend nutzten die klösterlichen Anlagen die umliegenden Landgüter für den Anbau von Nahrungspflanzen, die in großen Mengen benötigt wurden wie Kohl, Rüben und Erbsen und andere Wurzelgemüse. Über Generationen hinweg entwickelten sich neue und praktische Techniken im Landbau, die dann für die Kultivierung von Heilpflanzen übernommen wurden. Neue Anbauflächen für Nahrungspflanzen wurden durch die Rodung der Wälder erschlossen.
Die Heilpflanzen und Kräuter und vor allem deren Samen, wurden zwischen den einzelnen Klöstern getauscht. Durch den Fernhandel kamen unbekannte Gewächse hinzu, vor allem aus dem mediterranen Raum und dem Orient, zum Beispiel Fenchel und Liebstöckel, Gewürze wie Kümmel und Pfeffer, die ausgesprochen geschätzt und wertvoll waren. Die Ordensregeln, besonders die des Benedikt von Nursia, die in der „Regula Benedicti“ festgelegt wurden, bestimmten den gesamten Tagesablauf der Mönche. Das Gemeinschaftsleben im Glauben und Wirken zu Gott und die individuelle Arbeit waren ein fester Bestandteil des Alltags der Mönche. Neben der Liturgie und der Missionierung, der karitativen Arbeit und des Landesaufbaus waren die Klöster auch Zentren für die Bildung und der Vermittlung von Wissen. Die Mönche sammelten die Schriften der antiken Autoren über die Pflanzenheilkunde, vervielfältigten diese und nutzten sie für ihre eigene Arbeit. In den kirchlichen Skriptorien verfassten die Mönche ihre eigenen Abhandlungen über die verschiedenen Heilpflanzen, deren Aufbau und über die Wirkungen der hier hergestellten Arzneien auf den menschlichen Organismus. Diese Texte wurden zudem mit aufwendig handkolorierten Zeichnungen illustriert.
Ein einmaliges Juwel aus der Zeit Karl des Großen ist das wahrscheinlich im Jahr 785 entstandene „Lorscher Arzneibuch“. Diese Handschrift ist das älteste, uns erhaltene Buch der Klostermedizin im deutschsprachigen Raum. Der Kodex beschreibt die jeweiligen Zutaten, die Herstellung und die Anwendung von 482 verschiedenen Arzneimitteln und war für die damalige Zeit ein unentbehrliches Nachschlagewerk für die alltägliche Arbeit der Klostermediziner. Das Lorscher Arzneibuch wird in der Bamberger Staatsbibliothek aufbewahrt und gehört seit Juni 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Beginnend etwa Mitte des 11. Jahrhunderts wurden neben den bekannten abendländischen Heil-und Kräuterabhandlungen auch oft verlorengeglaubte oder in Vergessenheit geratene, antike Schriften wiederentdeckt. In Toledo in Spanien und im süditalienischen Salerno waren die Zentren für das Übersetzen antiker Schriften, dort übertrugen Mönche die Texte arabischer Gelehrter ins Lateinische. Bekannt sind bis heute die umfangreichen Abhandlungen des Universalgenies, Arzt und Naturwissenschaftlers Ibn Sina, genannt Avicenna (*980 – †1037). Avicenna galt als Autorität auf dem Gebiet der Heilkunde und zu seinen bedeutenden Werken gehörte das „Buch der Genesung“ und der fünfbändige „Kanon der Medizin“ der ihn zu einem der hochgeachtetsten Medizinern seiner Zeit machte. Bis weit ins 16. Jahrhundert hinein, bildeten seine medizinischen Lehrbücher die Grundlage für die Arbeit der Ärzte. Avicenna gilt als maßgeblicher Wegbereiter einer praktischen, auf die Fürsorge des Menschen gerichteten medizinischen Versorgung, und er steht für eine wissenschaftliche, methodische Forschung in der Medizin. Im Roman „Der Medicus“ vom Autor Noah Gordon, der 1987 erschien und 2013 verfilmt wurde, setzte er Ibn Sina, gespielt von Ben Kingsley, ein Denkmal.
Einen bedeutenden Rang in der Natur- und Heilkunde hatte in ihrer Zeit die Benediktinerin Hildegard von Bingen (*1098 – †17.9.1179). In Ihrer Schrift „Causae et curae“, dass nur in einer einzigen Handschrift überliefert ist, beschrieb sie eine allgemeine Darstellung über die Schöpfung und zur menschlichen Natur, sowie über die Behandlung einzelner Krankheiten. Der Verdienst Hildegards liegt vor allem darin, dass sie das damalige Wissen aus der griechisch – lateinischen Tradition mit der ursprünglichen Volksmedizin verband.
Der andalusische Arzt und Botaniker Abu Muhammad ibn al-Baitar (um *1190 – †1248) galt im Mittelalter als die führende Persönlichkeit der Pflanzenheilkunde. Ibn al-Baitar studierte in Sevilla Medizin und unternahm zu seinen Lebzeiten, ausgedehnte Forschungsreisen nach Kleinasien, Nordafrika bis Syrien, wo er auch in diesen Ländern für längere Zeit lebte. Danach ließ er sich in Kairo nieder und wurde vom Sultan Al-Kamil zum verantwortlichen Botaniker für Ägypten ernannt. Mit diesem Amt war er auch Oberaufseher der Apotheken. Sein historischer Verdienst ist die Systematisierung der Arzneimittellehre arabischer Gelehrter des Mittelalters, anhand der aus Pflanzen gewonnenen Rezepturen. Im „Kitab al-Ǧāmiʿ li-mufradāt al-adwiya wa-‚l-aġḏiya“, seinem bekanntesten Werk, beschreibt Ibn al-Baitar mehr als 1.400 Heilmittel aus Pflanzen und den daraus hergestellten Arzneidrogen. Ein großer Teil der darin beschriebenen Pflanzen, zum Beispiel Ambra, Kampfer, Moschus, Benzoeharz, Sandelholz und viele andere, waren im europäischen Raum noch unbekannt. Und die Geschichte der Medizin und Pflanzenheilkunde ging stetig weiter.
Mit der praktischen Anwendung des Buchdruckes ab 1450 durch den Mainzer Goldschmied Johannes Gutenberg ergaben sich in dieser Zeit neue und ungeahnte Möglichkeiten. Nun konnte das bisher gesammelte menschliche Wissen aus allen Epochen, vielfach gedruckt und in Buchform gebracht, der Nachwelt zugänglich gemacht werden. Das Monopol der Kirche, mit ihren Dogmen und ihrer Herrschaft über das Wissen und der Gelehrsamkeit begann zu schwinden. Neue Zeiten für eine unabhängige Wissenschaft, weg vom Aberglauben und deren Mythen, wurden in gewissen Ansätzen möglich.

Von der Renaissance bis in die neue Zeit der Wissenschaft

1613 erschien erstmals das Pflanzenbuch „Hortus Eystettensis“, ein Meisterwerk der Druckkunst, verfasst und verlegt vom Nürnberger Apotheker und Botaniker Basilius Besler (1561 -1629). Dieser führte eine gutgehende Apotheke und besaß selbst einen kleinen botanischen Garten. Im Auftrag des Eichstätter Bischofs, Johann Konrad von Gemmingen (1561–1612), führte er ab 1597 die Arbeiten am  schon bestehenden Botanischen Gartens auf der Willibaldsburg in Eichstätt fort. In seinem Werk, das Besler gemeinsam mit Hilfe des berühmten Botanikers Ludwig Jungermann erstellte, werden 1084 Pflanzen, Blumen und Bäume aus aller Welt beschrieben. Die aufwendig gestalteten  Pflanzendarstellungen sind so kunstvoll gearbeitet, dass diese Gewächse auch von Laien zweifelsfrei in ihrer Ganzheit bestimmbar sind. Das bisher erlangte Wissen über den Aufbau und die inneren Strukturen der Pflanzen sowie der unterschiedlichen Lebensräume erforderte nun eine genaue Klassifizierung der Arten, also einer Beschreibung und Ordnung der Pflanzenwelt an sich.
Der schwedische Naturforscher Carl von Linné (23. Mai 1707 – 10. Januar 1778) war einer der Wegbereiter, der mit seiner binären Nomenklatur (lateinisch binarius, „zwei enthaltend“, nomenclatura, „Namensverzeichnis“) für die Botanik und Zoologie ein Klassifikationsschema (Taxonomie) einführte, um ein einheitliches Namensystem der biologischen Arten zu schaffen.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Büste von Carl von Linné

In seinem 1753 erschienen Buch „Species Plantarum“, führte er seine binomische Nomenklatur ein und schuf damit ein grundlegendes System zur Bezeichnung der Pflanzen, ohne die es die Botanik in ihrer Form heute wahrscheinlich nicht geben würde.

Im Jahr 1729 studierte Carl von Linné bereits an der Universität in Uppsala und im Alter von nur 22 Jahren entstand seine erste bedeutende Schrift „Praeludia Sponsaliorum Plantarum“, in der er sich erstmalig mit der Sexualität der Pflanzen auseinandersetzte. Seine Schrift fand in der Fachwelt viel Beachtung und war für Carl von Linné der Grundstein für seine weitere Entwicklung als renommierter Botaniker und Wissenschaftler Schwedens. Unter seiner Leitung entwickelte sich Uppsala zu einem anerkannten internationalen Zentrum der botanischen Forschung.
Für die wissenschaftliche Erforschung der pflanzlichen Lebensprozesse und des Aufbaus der Zellstruktur war die Weiterentwicklung der Mikroskope von entscheidender Bedeutung. Mit deren Hilfe war es möglich, die Wunder im Inneren der Pflanzen und die Lebensfunktionen im Detail genauer betrachten und bestimmen zu können. Mit dieser Technik konnten die Wissenschaftler neue Wege bestreiten, um den Zellaufbau besser verstehen und enträtseln zu können. Neue Forschungszweige entstanden und den Menschen boten sich neue Einblicke in die Wunderwelt der Natur. So entdeckte Hugo von Mohl (1805 – 1872) Professor in Tübingen, dass sich Zellen durch Teilung vermehren. Er beschrieb die Entwicklung der Spaltöffnung und prägte den Begriff Protoplasma. In seinem 1830 erschienen „Lehrbuch der Phytotomie“ erläuterte Franz Julius Ferdinand Meyen (1804 – 1840), deutscher Mediziner und Botaniker, seine umfassende Übersicht über den Zellaufbau der Pflanzen und erklärte die unterschiedlichen Gewebetypen wie Mesenchym und das Parenchym. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen an und neue Zeitschriften, die sich mit den unterschiedlichsten Themenfeldern aus der Botanik befassten, wurden herausgegeben. Neben der Anatomie der Pflanzen begann man auch die chemische Struktur der Zellen zu erforschen. Auf der Grundlage vieler neuer Forschungsergebnisse entstanden neue Wissenschaftszweige, wie die Pharmakologie, die Pharmazeutik und Toxikologie. Ziel war es, die pflanzlichen Inhaltsstoffe hinsichtlich ihrer therapeutischen Wirksamkeit weiter zu erforschen.

Für die heutige Pflanzenwissenschaft „Plant Science“ ist die Zusammenarbeit der Universitäten mit den botanischen Gärten von entscheidender Bedeutung. In Leipzig begann diese Tradition auf ein neues als die Universität im Januar 1648, das an die Paulinerkirche grenzende Fürstenhaus in der Grimmaischen Gasse (heute: Grimmaische Straße) erwarb und im Jahr 1653 im dazugehörigen Garten einen neuen Botanischen Garten errichten ließ. Heute befinden sich im Botanischen Garten wertvolle Sammlungen von Pflanzen aus allen Klimazonen der Erde.

Der Leipziger Botanische Garten in der Gegenwart

Er gilt als der älteste, noch in Nutzung stehende Botanische Garten Deutschlands. Die Gartenanlage ist in eine geographische und in eine systematische Abteilung angeordnet. Betritt der Besucher den Garten über den Haupteingang von der Linnéstraße aus, dann empfangen ihn links und rechts die Wälder Asiens mit ihrer betörenden Anmut und Vielfalt. Geht man im Asienwald am kleinen Teich vorbei, befindet sich der Besucher in einem harmonisch angelegten Bambuswald. Von dort aus, in südöstlicher Richtung, sind die Wälder des westlichen und östlichen Nordamerikas zu sehen. In den weiteren, geografisch geordneten Abteilungen, sind die Steppen Osteuropas und Asiens, die Wälder Europas und auch die Flora der Antarktis zu bestaunen. Die Beziehungen der Pflanzen untereinander, ihre Zugehörigkeit mit den ihnen verwandten Arten, Gattungen und Familien werden in der Systematischen Abteilung des Gartens präsentiert.
Befindet sich der Besucher am Linnéplatz sind rechts von ihm die zu einer Klasse gehörenden Einkeimblättrigen (Liliidae) zu bestaunen. Im Garten findet der aufmerksame Besucher viele weitere Areale von Pflanzen, wie denen der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae), den Berberitzen (Berberidaceae), den Rosengewächsen (Rosaceae), und denen der Farne.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Blick zum Hauptgebäude

In den sechs Gewächshäusern kann der Besucher unter anderem in die Welt der tropischen Regenwälder von Amerika, Afrika und Asien eintauchen und seine erhabene Vielfalt erleben.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Sommerbank

Im Viktoriahaus, dem architektonischen Juwel des Gartens, wird die Riesenseerose (Victoria amazonica) kultiviert. Im Jahre 1876, nach Plänen des Gartenbaudirektors August Schenk und des Leipziger Baurates Gustav Müller, wurde die flache, achtseitige Pyramide extra nur für die Riesenseerose erbaut. Heute befindet sich neben der Riesenseerose auch die Victoria cruziana – eine weitere Seerosenartsowie Pflanzen, die in diesem gleichen Biotop zu Hause sind.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Victoriahaus

Im benachbarten Friedenspark, gegenüber dem Botanischen Garten, befindet sich der Apothekergarten. Malerisch romantisch, umgrenzt von einer Eibenhecke und in Gemeinschaft hoher Bäume, sind die Heilpflanzen als Wunderwerke der Natur zu finden. Hier befindet sich der „Hortus Medicus“, den die Menschen pflegen und behüten und der heute das Gedächtnis für Heilung und Gesundheit der fortschrittlichen Medizin ist.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Der Apothekergarten

Dieses Wissen zu bewahren und mit den heutigen wissenschaftlichen Möglichkeiten zu verbinden, ist von außerordentlicher Bedeutung vor allem in Bezug auf den Klimawandel und der zu erhaltenden Biodiversität.

Foto: Botanischer Garten Universität Leipzig Das Inspektorenhaus

Der Garten, als ein Ort der Erholung und des Innehaltens des Menschen auf sich selbst und seinen Umgang mit der Natur überdenkend, ist zu allen Jahreszeiten erlebbar.

Dafür bietet der Botanische Garten ein vielfältiges Programm für alle Besucher. Die „Grüne Schule“ wendet sich besonders an Kinder und Jugendliche. Ein Ziel ist es, gemeinsam mit den Schulen, den jungen Menschen ein Wissen über die Artenvielfalt und deren Zusammenhang zwischen der Natur und deren Schutz zu vermitteln. Diese Förderung muss demzufolge auch weiter eine zentrale Aufgabe der Gesellschaft sein. Im Interesse aller, damit eine Generation heranwachsen kann, die bewusst mit dem erforderlichen Wissen befähigt wird, die Grundlagen des Lebens auf der Erde zu verstehen.

Heute ist es wieder chic geworden, Arznei – und Gewürzpflanzen auf dem Balkon oder im eigenen Garten anzubauen. Sie verleihen den Speisen und den Getränken angenehme, geschmackliche Nuancen und sorgen obendrein dafür, dass der Körper lebensnotwendige Vitalstoffe, wie Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und Aromastoffe erhält. Ein Vorteil nicht nur der einheimischen Kräuter ist es, neben einer verbesserten Ernährung auch der Vorzug, dass der Speicherung von unnötigem Wasser im Körper entgegengewirkt wird. Das liegt daran, dass Gewürze im Gegensatz zu Salz kein Wasser binden, sondern es ausscheiden helfen. Mit dem jährlich stattfindenden Leipziger Pflanzmarkt, leistet der Botanische Garten seinen besonderen Beitrag für viele Gartenfreunde.

 Vom Wert des Botanischen Gartens für die Wissenschaft

Um die Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich zu meistern, der globalen, von Menschen gemachten Klimakrise, der Zerstörungen der Natur durch den Raubbau, das Artensterben, das Verlorengehen der genetischen Vielfalt und das Verderben ganzer Ökosysteme, ist die wissenschaftliche Forschung auf globaler, gemeinsamer Ebene unerlässlich. Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), das seit Herbst 2012 in Leipzig auf der Alten Messe beheimatet ist, arbeitet im Rahmen der „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“, gemeinsam mit Wissenschaftlern weltweit, an nationalen und internationalen Projekten. Das Wissen um den Erhalt und den Schutz der biologischen Artenvielfalt (Biodiversität), erfordert diese globale Strategie. Zugleich sind auch die Forschungsergebnisse wichtig, um in der Perspektive positive Effekte für die gesamte Natur zu erzielen. Wichtiger ist aber auch, dass diese Erkenntnisse in politische Prozesse und in die Gesetzgebung einfließen. Darin liegen bis heute die langwierigsten und schwierigsten Hindernisse, die es endgültig zu überwinden gilt.

Abwehrmechanismus von Bäumen gegen Schädlingsbefall nachgewiesen

In einem internationalen Forschungsprojekt unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Leipzig, ist es den Forschern erstmals im natürlichen Lebensraum der Bäume gelungen, die komplexen Duftstoffgemische nachzuweisen. Diese werden bei Befall von Schädlingen ausgesandt, um deren Fressfeinde wie etwa andere Insekten oder Vögel anzulocken, die dann den Baum ihrerseits von seinen Schädlingen befreien. Das Prinzip, dass Pflanzen bei Attacken von Fressfeinden mit diesen flüchtigen Substanzen Alarm schlagen, zugleich damit auch die eigenen Nachbarn vor diesen Angriffen warnen, ist in der Wissenschaft schon länger bekannt. Diese Naturstoffe, die sich aus den Wurzeln, Blüten, Blättern und Früchten verflüchtigen, werden wissenschaftlich unter dem Begriff “Volatile Organic Compounds“ (engl. VOC´s) zusammengefasst.

Die Leipziger Forschenden konnten den pflanzlichen „Hilferuf“ erstmals im natürlichen Lebensraum – im Blätterdach des Leipziger Auwaldes – nachweisen. (Bild: Steffen Schellhorn)

Um den Effekt einer induzierten Abwehr von Schädlingen an ausgewachsenen Eichen nachzuweisen, haben die Forscher im 40 Meter hohen Kronendach des Leipziger Auwaldes, mit einem Pflanzenhormon chemisch einen Befall vorgetäuscht.

Hierzu besprühten sie die Zweige und Blätter mit Methyljasmonat, um eine Abwehrreaktion auszulösen. Mit an den Blättern geklebten Raupenattrappen aus Plastik, konnten die Forscher die Biss-und Pickspuren der Vögel und anderer Räuber genau erfassen.

Auf diesen Blättern platzierten die Forscher auch Raupenattrappen aus Kunststoff und erfassten Schäden durch Schnäbel und Bisse. (Bild: T. Volfová)
Auch Vögel (in diesem Umfeld häufig Kohlmeisen) können die chemischen Signale der Bäume „entschlüsseln“. (Bild: M. Volf)

Die echten Raupen der Eichenschädlinge wurden sowohl auf den induzierten als auch den nicht-induzierten Ästen erfasst und die abgegebenen VOC´s wurden im Labor analysiert. Zum Beispiel haben die Raupen des Schwammspinners die induzierten Blätter gemieden, was darauf hindeutet, dass die Bäume Tannine als eigenen Abwehrstoff abgeben.

Raupe des Goldafters (Euproctis chrysorrhoea). (Bild: T. Volfová)

Die Studie, geleitet vom Erstautor Dr. Martin Volf und fortgeführt von Letztautorin Prof. Nicole van Dam, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Interaktionsökologie am iDiv und der Universität Jena, sowie aller Forschenden ist ein Beleg dafür, wie erfolgreich eine internationale Zusammenarbeit in der Biodiversitätsforschung sein kann. Das Wissen aus dieser Studie, deren wissenschaftlichen Beweisführung, könnte und kann, künftig für eine natürliche Schädlingsbekämpfung in der Land- und Forstwirtschaft dienen. Zu wünschen wäre es.

Bildquelle Beitragsbild: Botanischer Garten Universität Leipzig Blick über den Teich

Weitere Quellen:

Botanik Online Register Uni Hamburg http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d00/inhalt.htm

Systematik Biologie

https://de.wikipedia.org/wiki/Systematik_(Biologie)

Avicenna

https://en.wikipedia.org/wiki/Avicenna

Abu Muhammad ibn al-Baitar

https://de.wikipedia.org/wiki/Abu_Muhammad_ibn_al-Baitar

Systematik Biologie

https://de.wikipedia.org/wiki/Systematik_(Biologie)

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