Du möchtest etwas mehr wissen über die Spinner

 

Wir haben uns über die Baumwollspinnerei  führen lassen und dies hat uns animiert noch mehr zu erfahren über einen Ort an dem früher Fäden gesponnen und heute Kunst / Kultur produziert wird.

 

… aber zuerst einmal etwas Biologie.

 

    … Was ist Baumwolle und wo kommt sie her?

 

Die Baumwolle gehört zu der Familie der Malvengewächsen und wird entsprechend seines Standortes zwischen 25cm und 2m hoch. Ihre Blüte sieht der bei uns wachsenden Stockrose oder dem Rosen-Hibiskus sehr ähnlich.

die Baumwollpflanze – Gossypium herbaceum

Nach der Blütezeit verwandelt sich der im Kelch sitzende Fruchtkörper zu einer länglichen Kapsel, die aufspringt und ihre Samenhaare herausquellen lässt. Eine Baumwollkapsel enthält rund 30 Samen, an jedem Samen sitzen 2000 bis 7000 Samenhaare. Die Pflanzen benötigen während des Wachstums sehr viel Feuchtigkeit und im Stadium der Reife auch sehr viel Wärme. Deshalb wird sie vor allem tropischen und subtropischen Gebieten angebaut.

 

    … was macht Baumwolle aus?

 

Produkte aus Baumwolle sind hautfreundlich, luftdurchlässig, kochfest, antiallergisch, widerstandsfähig gegen Hitze und Laugen, UV-beständig, sie haben eine hohe Dehnfähigkeit, nehmen sehr gut Wasser auf und lassen sich sehr gut einfärben. Jedoch sind sie sehr leicht entflammbar.

 

    … nun noch etwas zur Geschichte der Baumwolle.

 

Kleidung aus Baumwolle tragen die Menschen schon seit vielen Jahrtausenden. Nachgewiesen wurden Baumwoll-Textilreste die aus Höhlen bei Tehuacan in Mexiko stammen und auf die Zeit 5800 v. Chr. datiert wurden. Auch in China  wurde bereits zu dieser Zeit Baumwolle angebaut und verarbeitet.

Baumwollernte und -transport

Mit den Eroberungszügen brachten Sarazenen und Araber die Baumwolle im Jahr 1000 v. Chr. nach Sizilien und Südspanien. Zu dieser Zeit spielte die Baumwolle eine sehr unbedeutende Rolle in Europa. Hier wurden vorzugsweise  Garne aus Wolle, Leinen und später Seide verwendet.

Impressionen einer Baumwollplantage

Zu Beginn des 18. Jahrhundert wurden vor allem in Nordamerika aus Indien stammende Baumwollsamen kultiviert und industriell verarbeitet.

 

1753 wurde erstmalig Baumwolle an der Londoner Börse angeboten. Zu dieser Zeit war sie noch sehr bescheiden auf dem Weltmarkt platziert, da die Verarbeitung nur manuell in Europa geschah. Erst 1764 wurde durch den Engländer James Hargreaves die industrielle Verarbeitung  revolutioniert, er erfand die erste Entkörnungs- und Webmaschine für Baumwolle.

Sonntags-Zeitung aus dem Jahre 1905

Das gab dem Rohstoff so einen wirtschaftlichen Aufschwung, dass er 1900 rund 80 Prozent des Welttextilmarktes beherrschte. In Deutschland wurde Baumwolle Mitte des 17. Jahrhunderts zuerst in Chemnitz verarbeitet. Mit der industriellen Revolution kam der Rohstoff in die Baumwollspinnerei nach Leipzig.

 

… es war einmal  

Areal der Baumwollspinnerei um 1900

Die in Lindenau befindliche Leipziger Baumwollspinnerei wurde 1884 von elf Leipziger Bankiers und Kaufleuten als Aktiengesellschaft mit einem Kapital von rund 3 Millionen Reichsmark zum Erwerb, Bau und Betrieb der Baumwollspinnerei und den damit zusammenhängenden Geschäftszweigen gegründet. Die kaufmännische Leitung und pro cura Direktion wurde im Jahre 1885 dem aus der Schweiz stammenden Johann Morf, bisheriger Spinnereibesitzer einer Manufaktor in Sontheim am Neckar, übertragen. Das gewählte Grundstück mit 59.000 qm lag im 1891 nach Leipzig eingemeindeten Lindenau unmittelbar am Bahnhof Plagwitz. Für den Bau bot sich das rekultivierte und urbar gemachte Sumpfland von Dr. Karl Heine in Plagwitz geradezu an.

In den Stadtteilen Lindenau und Plagwitz waren zur damaligen Zeit vorrangig Unternehmen aus den Bereichen der Schwer- und Druckmaschinenbau vertreten. Mit der Baumwollspinnerei kam nun ein Unternehmen nach Plagwitz, welches vorrangig Frauen beschäftigte. Durchschnittlich arbeiteten um 1900 ca. 95 Prozent  weibliche Arbeiterinnen und Angestellte in Spinnerei- und Färbereibetrieben.

Im Jahr 1884 wurde die 1. Spinnerei (die heutige Halle 20) mit fünf Spinnstühlen eingeweiht und die Produktion aufgenommen. Ein Jahr später gingen bereits 30.000 Selfaktorspindeln (Selfaktormaschinen waren bereits seit 1800 selbständig automatisiert spinnende Anlagen und den dazugehörigen Vorwerken in Produktion.

Spinnereimaschinen und Selfaktormaschinen, 1905 (Meyers kleines Lexikon, 7. Auflage)

Mitte 1886 übernahm die Leipziger Baumwollspinnerei AG die Baumwollspinnerei Wolkenburg. Im Todesjahr von Dr. Karl Heine 1888 entstand die 2. Spinnerei (heute Halle 18) mit 50.000 Spindeln und im Folgejahr die 3. Spinnerei (heute Halle 14) mit 76.000 Spindeln sowie hochwertigen Kämmmaschinen für superfeine Garne. Mitte der 1890er Jahre wurde dann die heutige Halle 6 als Produktionshalle errichtet.

Im Jahre 1894 kündigte der Aufsichtsrat dem Direktor Johann Morf fristlos (lt. Sächsischen Staatsarchiv) und setzte 1895 als Direktor und Vorstand Gustav Hertle ein.

1907 wurde die heutige Halle 7 zur Herstellung von feinsten Nähfadengarnen gebaut und zum Zeitpunkt der  Jahrhundertwende waren dem Leipziger Unternehmen mehrere Spinnereifabriken mit Färberei und Kämmerei angeschlossen.

Collage von Originalphoto aus der Zeit um 1909

Erstmalig wurde im Jahre 1912 eine Motorstoffweberei für technische Garne eingerichtet, die zur Zwirnherstellung von Cord für die Reifenherstellung konzipiert war.

Mit anfänglich 318 Beschäftigten waren es bereits 20 Jahre später 16.000 Mitarbeiter, die meistens aus Sachsen und den angrenzenden Ländern, wie Polen, Österreich und der Schweiz .

Bedingt durch den ersten Weltkrieg wurde die Baumwollspinnerei 1916 teilweise stillgelegt um danach ersatzweise Papiergarne und –gewebe herzustellen sowie Granaten für den Krieg zu drehen.

Erst 1919 wurde die Herstellung von Baumwollgarnen wieder aufgenommen.

1935 beteiligte sich die Baumwollspinnerei an mehreren vor allem Zellwollebetrieben. Parallel wurden eigene Baumwollplantagen im damaligen Deutsch-Ostafrika und Ägypten zur Baumwollgewinnung unterhalten. Jedoch reichte der Rohstoff nicht länger für die stark gestiegene Nachfrage an Textilien im Deutschen Reich. Deshalb ergänzte die Baumwollspinnerei zur Bedarfsdeckung in hohem Maße Baumwolle durch Zellwolle. Zellwolle wurde aus Holzfasern  von Buchen, Fichten, Eukalyptus, Pinien und Bambus gewonnen und diente als Ersatz für die zu geringen Baumwollmengen.

Mehr als vierfünftel  der 1937/38 hergestellten Garne enthielten Kunstfasern, bei einviertel handelte es sich sogar um reine Zellwollgarne. Die Spinnerei verbrauchte ersatzweise bereits 1931 kleine Mengen Viskosefasern als Regeneratfasern.

alte Aktienbriefe der Baumwollspinnerei Leipzig

Seit Beginn der Baumwollspinnerei war sie für damalige Verhältnisse ökologisch, nachhaltig und sozial ausgerichtet und zählte zu den modernsten Betrieben ihrer Art. Neben einer eigenen Betriebsschule, Eigenstromerzeugung und Verköstigung zum Selbstkostenpreis bot sie ihren Mitarbeiterinnen bereits anfänglich 1900 eine Badeanstalt, einen Kindergarten und Arbeiterwohnungen.

Nach dem Ausruf des Nationalsozialismus wurde der Aufschwung propagiert. Garne wurden fortan auch für die Militäruniformen benötigt.

Zu Beginn des 2. Weltkrieges hatte die Baumwollspinnerei es abgelehnt, KZ-Häftlinge für die Produktion aufzunehmen. Dennoch wurden 500 ausländische Zwangsarbeiterinnen zugewiesen. Eigens für diese hatte der Betriebsrat Küchen, Wasch-, Schlaf- und Aufenthaltsräume auf dem Areal der Spinnerei geschaffen.

Für die Zurückweisung der Häftlinge war in erster Linie der Aufsichtsratsvorsitzende Walter Cramer zuständig, dieser hatte mit dem damaligen Leipziger Bürgermeister Dr. Carl Goerdler den zivilen Widerstand versucht durchzusetzen. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat wurde Walter Cramer verhaftet und hingerichtet.

In den letzten Kriegsmonaten des 2. Weltkrieges wurde die Baumwollspinnerei amerikanisch verwaltet und ab den 1. Juli 1945 für die Zeit der Besatzung in sowjetische Hand übergeben und treuhänderisch verwaltet. Bedingt durch den sowjetischen Rückbau von 50 Prozent der Maschinen und Anlagen, in Folge der Leistung von Reparationszahlungen, wurde der Betrieb extrem geschwächt.

Collage von Originalphoto aus der Zeit 1945 bis 1960

Im Sommer 1946 wurde die Baumwollspinnerei verstaatlicht zum Volkseigenen Betrieb namens VEB (Volkseigener Betrieb) Leipziger Baumwollspinnerei und ging in den Besitz des Freistaates Sachsen über. In den Jahren 1948 bis 1951 gehörte der VEB Leipziger Baumwollspinnerei zum VVB (Vereinigung Volkseigener Betriebe) Baumwollspinnerei Chemnitz. In der Folgezeit veränderte sich das Unterstellungsverhältnis mehrfach, so wurde zum Beispiel das Unternehmen ab 1951 dem Ministerium für Leichtindustrie, Hauptverwaltung Textil unterstellt. Im Jahre 1964 wurde der VEB Baumwollspinnerei Naunhof dem Leipziger Betrieb als Werk II zugeordnet.

1956 beschäftigte der VEB Leipziger Baumwollspinnerei ca. 3900 vorrangig weibliche Beschäftigte

(80 Prozent). Bis 1960 wuchs der Betrieb zum größten Frauenbetrieb von Leipzig an. Daraus ergab sich eine sehr frauen- und familienfreundlich Unternehmenspolitik. Das Werk hatte sowohl eine eigene Zahnarztpraxis als auch einen eigenen praktizierenden Allgemeinarzt mit Sitz in der Spinnerei. Neben einem hohen Weiterbildungsangebot in der betriebseigenen Berufsschule „Otto Hobusch“ ab 1951 besaß der VEB eine Werksbibliothek mit über 2500 Büchern.

Postkarte

Abgerundet wurden die soziale Absicherung  durch einen Betriebskindergarten, einem Betriebskonsum, Ferienlager für die Kinder der Arbeiterinnen und durch ein reichhaltiges Freizeit- und Kulturangebot wie organisierte Kino- und Theaterbesuche, Modenschauen, Konzerte, …  .

 

 

 

 

Ziel des Unternehmens zu DDR-Zeiten war es vor allem Rohbaumwolle zu verarbeiten und Baumwollgarn für Trikotagen- und Webgarne, Baumwollgarne für die Automobilbranche, Fahrradreifenherstellung und Baumwollgarne für die Förderanlagentechnik herzustellen. Produziert wurde nicht für die DDR sondern hauptsächlich für die osteuropäischen Länder und den Weltmarkt.

1980 stieg der Konkurrenzdruck aus Asien extrem stark. Der Betrieb musste die Arbeitszeiten stark erhöhen, worunter u.a. die Qualität und der Arbeitsschutz für die Werktätigen litt. Die Effektivität der Produktion konnte nicht mehr gesteigert werden. Seit diesem Zeitpunkt verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen drastisch und die Fluktuation stieg stark an. Obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits Arbeitskräfte aus Mosambik, Angola und anderen afrikanischen Staaten beschäftigt wurden, gelang es nicht dem Weltmarktdruck entgegen zu wirken.

Zur Wendezeit waren noch ca. 1.650 Beschäftigte in der Spinnerei tätig. Im Jahre 1993 wurde die Produktion eingestellt und die Mitarbeiter wurden entlassen. Nach der Treuhandabwicklung im gleichen Jahr übernahm eine Firma aus den Altbundesländern die Produktion von Reifencord für Fahrzeuge mit nur noch 40 Mitarbeitern die bis zur endgültigen Schließung im Jahr 2000.

 

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Bilder: Collagen + Foto © 2017 – Dipl. – Designer Peter Lange (ausser „Spinnereimaschinen und Selfaktormaschinen…“)

 

Baumwollspinnerei - ... es war einmal
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Eine Antwort

  1. Geli

    Immer sehr gerne lese ich die Berichte von der Leipziger Baumwollspinnerei.
    Meine Mutter hat dort 46 Jahre gearbeitet.Sie ist jetzt 89 Jahre. Wir Kinder haben nur gestaunt, was das für eine schwere Arbeit war.

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