„Die pralle Sonne auf dem Rücken,
während man sich über Schaufel oder Hacke beugt
oder beschaulich den warmen, duftenden Lehmboden riecht,
ist heilender als manch eine Medizin.“
Charles Dudley Warner

Jahr für Jahr gehen wir in unsere Gärten und machen uns eine erholsame und gute Zeit. Wir wühlen in der Erde, beschneiden Pflanzen, jäten Unkraut und hier und da wird der Garten in Stand gesetzt. Wir machen uns schöne Sommerabende, an denen wir im Garten entspannen, genießen und feiern. Wie schön doch so ein Garten ist – schauen wir uns die Entstehung, Entwicklung und mögliche zukünftige Erscheinungsformen von Klein- und Schrebergärten in und um Leipzig mal an.

Es war einmal…

Schon Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in vereinzelten Städten Europas, zum Beispiel in Kappeln an der Schlei, Kiel und London sogenannte Armengärten. Diese dienten zur Nahrungsversorgung der untersten Bevölkerungsschichten in den Städten. In Leipzig beginnt unsere Geschichte mit der Gründung der Kleingartenanlage Johannistal im Jahre 1832.

Wenige Jahrzehnte später, 1864 wurde deutschlandweit der erste Schreberverein nach den namensgebenden und am 10. November 1861 verstorbenen Orthopäden und Hochschulleiter Dr. Daniel Gottlob Moritz Schreber gegründet. Das war eine Initiative vom Leipziger Schuldirektor Ernst Innocenz Hauschild.

Dr. D.G.M. Schreber wurde am 15. Oktober 1808 in Leipzig geboren. Er lernte an der Thomasschule, studierte an der Universität Leipzig Medizin und wurde Hochschullehrer. In den 1840er Jahren übernahm Dr. Schreber die Leipziger orthopädische Heilanstalt, welche unter dem Namen „Heilanstalt für Verkrümmte“ bekannt war. Zudem brachte Dr. Schreber einige Schriften heraus, in denen es um die Erziehung von Kindern zu gesunden und geraden Menschen ging. Außerdem erfand er einige orthopädische Hilfsmittel, welche zur Vermeidung von Fehlbissen gedacht waren. Und er erschuf Gerätschaften, welche die Kinder dazu zwangen, gerade zu sitzen und zu schlafen, was ihn aus heutiger Sicht zu einer eher umstrittenen Person macht.

1865 eröffnete der „Schreberplatz“ am Johannapark. Wobei dieser noch nicht so viel mit den Kleingärten von heute zu tun hatte. Denn in erster Linie ging es um die körperliche Ertüchtigung von Kindern und Jugendlichen im Freien, nach Schrebers beworbener „systematischen Heilgymnastik“. Beete wurde drei Jahre später vom Lehrer Heinrich Karl Gesell als zusätzliche Beschäftigung für Kinder angelegt. Aus diesen Kinderbeeten entstanden sehr schnell Familienbeete, welche parzelliert und umzäunt wurden. Zu dieser Zeit hat sich der Name der Schrebergärten eingebürgert. Ein Jahr später gab es bereits 100 Parzellen und eine Vereinssatzung. Das war der Start der Schreberbewegung, welche im Laufe der Zeit über Leipzig hinaus in ganz Deutschland und sogar europa- und weltweit ihre Anhänger fand. Dies war allerdings nur durch die Menschen, Kommunen und Kirchen möglich, die den dafür notwendigen Boden zur Verfügung stellten. Zur Jahrhundertwende stellte auch die damalige Reichsbahn Pachtland bereit, weshalb wir heute viele Kleingärten in der Nähe von Gleisanlagen finden.

Bei der Recherche zu dem Thema Klein- und Schrebergarten und dem dazugehörigen Vereinsleben habe ich mir einen Interviewpartner gesucht. Und so kam ich, zu einem Gespräch mit Herrn Robby Müller, welcher derzeitig der Vorsitzende und Geschäftsführer des Stadtverbands Leipzig der Kleingärtner e. V. ist.

In diesem Gespräch habe ich erfahren, dass in Leipzig die Gärten relativ gleichmäßig verteilt sind und dass es kaum Unterschiede in den Unterhaltkosten gibt. Aber die Nachfragesituation ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Beispielsweise gibt es im Süden eine starke Nachfrage, die sogar zu Wartelisten in den Vereinen sorgt. Dagegen liegen im Osten der Stadt teilweise ungenutzte Gartenparzellen brach.

Da die meisten Gärten in den Frischluftschneisen der Stadt Leipzig liegen, so Herr Müller, kann es bei starken Stürmen doch mal dazu kommen, dass die eine oder andere Laube diesen zum Opfer fällt. Darüber hinaus kann es bei Hochwassergefahr dazu kommen, dass die Gärten geflutet werden um höherwertige Infrastruktur zu schützen. In den meisten Fällen wird aber der Stadtverband vorher informiert, da er mit dem Krisenmanagement der Stadt Leipzig zusammenarbeitet. Im Rahmen Leipziger Hochwasserschutzmaßnahmen wurden einige Gartenvereine umgesiedelt. Dabei hat die Stadt finanzielle Unterstützung geleistet.

In den 1870er Jahren musste wegen städtebaulicher Maßnahmen Pachtfläche abgegeben werden. Im April 1876 wurde der Pachtvertrag zwischen der Stadt und dem Verein ganz gekündigt. Weil die Stadt Leipzig aber schon damals den positiven Effekt des Schrebervereins erkannte, stellte sie Ausweichflächen zur Verfügung. Im Mai des gleichen Jahres wurde dann der heutige Kleingartenverein Dr. Schreiber e.V. an der Aachener Straße neu eingeweiht.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Verband Leipziger Schrebervereine e. V. von sechs Vereinen gegründet. Anfang des 20. Jahrhunderts, genauer 1907, entstand ein zweiter Stadtverband in Leipzig mit den Namen Verband von Garten- und Schrebervereinen e. V., welcher Kleingärten- und Schrebervereine unter sich vereinte und mehr mit dem heutigen Bild von Kleingartenanlagen zu tun hat. Auf Grund der unterschiedlichen Ausprägungen der beiden Verbände war das Nebeneinander nicht gerade harmonisch. Die Einen waren für weniger körperliche Erziehung aber für mehr Anbau von Obst und Gemüse, die Anderen für das ursprüngliche Schrebersystem, mit seiner stark ausgeprägten Komponente, gesunde und gerade Menschen heranzuziehen. Trotz der Unterschiede waren in beiden Fällen die Gärten und Vereine Zufluchtsorte vor dem Lärm und Dreck der Stadt. Drei Jahre später hatten der Allgemeine Verband Leipziger Schrebervereine e. V. 15 Leipziger Vereine und der Verband von Garten- und Schrebervereinen e. V. 35 Leipziger Vereine unter sich.

Dunkle Zeiten…

Nach den Ersten Weltkrieg gab es eine Änderung. Denn mit Hilfe des damaligen Leipziger Bürgermeister Dr. Rothe, viel Zeit und Anstrengung wurden am 5. Februar 1922 beide Verbände zum Kreisverband der Schreber- und Gartenvereine Leipzig e. V. zusammengeführt.

Wegen der stetig voranschreitenden Stadterweiterung, welche die Schreber- und Gartenvereine gefährdete, wurde der Ruf nach Daueranlagen immer lauter. Aus diesem Grund wurden 1930 Richtlinien für Daueranlagen festgelegt, welche im Generalbebauungsplan mit einem Grünplan für Kleingartendaueranlagen umgesetzt wurden. 1931 waren bereits 589 ha der Stadt Leipzig Kleingartenfläche. Dies entsprach ungefähr einem Viertel der gesamten Grünfläche Leipzigs.

Mit Umgestaltung und Umstrukturierung der deutschen Gesellschaft durch das NS-Regime wurde der Kreisverband im Sinne der Ideologie „Blut und Boden“ Ende der 1930er zur Kreisgruppe Leipzig der Kleingärtner e. V. umbenannt.

In den Kriegszeiten waren die Kleingärten essentiell für das Land und seine Bevölkerung und wurden durch eine Verordnung unter besonderen Schutz gestellt. Dabei dienten die Anlagen nicht nur als Nahrungslieferanten, sondern die Lauben auch als Notunterkünfte für Menschen, die durch den Krieg ihr Heim verloren hatten. Im englischsprachigen Raum gab es sogar den Slogan „Dig on for victory“ („Weiter graben für den Sieg“) um die Bevölkerung zu animieren, jeden Flecken nutzbaren Boden zu bewirtschaften. So entstanden die sogenannten Victory Gardens in Großbritannien.

Aber wie nimmt heute die jüngere Generation das Angebot der Kleingartenvereine wahr? Es gibt viele junge Familien die verstärkt die Kleingärten wahrnehmen, da zum Beispiel das Ernährungsverhalten der Menschen sich geändert hat. Sie schauen mehr darauf was sie essen und wo ihre Lebensmittel herkommen. Und da gibt selbst angebaute Nahrung ein gutes Gefühl. Und es findet sich auch was, um der Neugier und den Tatendrang von Kindern Raum zu geben. Das kommt natürlich nicht von allein, denn der Stadtverband macht einiges an Öffentlichkeitsarbeit. Angefangen von Flyern über Veranstaltungen, wie zum Beispiel zum Thema „richtiger Anbau und Pflege von verschiedenen Nutzpflanzen“ bis hin zu einer guten Internet- und Messepräsenz. Und auch die Vereine selbst organisieren diverse Feste. Leider nutzen immer weniger Kitas und Schulen das Angebot der Vereine, wenn diese nicht gleich um die nächste Ecke liegen. Obwohl es keine Probleme damit geben sollte, in einem Verein einen Schulgarten anzulegen.

Wiederaufbau…

Mit dem Ende des NS-Regimes 1945 und der darauf folgenden Zweiteilung und Neuorganisation des Staates gab es wieder diverse Umstrukturierungen im Vereins- und Gartenleben und natürlich auch die obligatorischen Namenänderungen, dem deutschen Bürokratenwahnsinn zum Dank. Und so hieß der Stadtverband ab Mitte der 1950er Jahre Kreisverband Leipzig der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter.

Bis in die 1970er stieg die Anzahl der Kleingärten in Leipzig nur geringfügig, da unbebautes Land in erster Linie für den Wohnungsbau genutzt wurde. Mit einem Ministerratsbeschluss, der unter anderem vorsah die Anzahl der Kleingärten zu erhöhen und diese unter besonderen Schutz zu stellen, fing ab 1977 die Zahl der Kleingärten wieder zu steigen an. Und so gab es bis 1990 schon 206 Kleingartenvereine auf dem Gebiet der Stadt Leipzig.

Im Wandel…

Im Zuge der Wiedervereinigung wurde der Kreisverband Leipzig der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter aufgelöst und der Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e. V. gegründet. Der Stadtverband Leipzig hatte Ende 1990 bereits 197 Kleingartenvereine unter sich geeint.

Mit Bildung des Grünflächenamtes und der dazugehörigen Abteilung Kleingarten konnte zwischen der Stadt Leipzig und dem Stadtverband Leipzig, 1993 für über 70% der Leipziger Kleingartenflächen ein Generalpachtvertrag geschlossen werden.

Herr Müller hat mir darüber hinaus noch mitgeteilt, dass der Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e. V. mit der Stadt Leipzig am „Masterplan: Grün, Freiraumstrategie der Stadt Leipzig“ zusammenarbeitet. Die Stadt Leipzig investiert fast eine Viertel Million Euro im Jahr in die Instandhaltung der Kleingartenvereine um allgemeine Plätze aufzuwerten, damit auch die restliche Bevölkerung die Gartenanlagen zur Naherholung nutzen kann. Für diesen Zweck stellt der Stadtverband zusätzlich jedes Jahr 45.000 Euro den Kleingartenvereinen zur Verfügung.

Um den Menschen die Tradition des Kleingartenwesens und dessen Geschichte näher zu bringen wurde am 23. August 1996 das Deutsche Museum der Kleingärtnerbewegung im Vereinshaus Dr. Schreber e. V. eröffnet.

Derzeit gibt es über 270 Kleingartenanlagen in Leipzig mit über 39.500 Parzellen auf einer Fläche von ca. 1240 ha, das macht 30% der gesamten Grünfläche in Leipzig aus. 206 Kleingartenvereine sind mittlerweile unter dem Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e. V. .

Herr Müller hatte natürlich auch mal einen Garten, allerdings nimmt ihn inzwischen die Arbeit im und für den Stadtverband sehr in Anspruch, so dass keine Zeit mehr dafür bleibt. Dieser Umstand trübt aber nicht seine Freude und sein Engagement am Dienst für die Gartenfreunde in Leipzig, Sachsen und darüber hinaus.

Noch Fragen…

Auf die Frage wer, denn nun wichtig für Klein- und Schrebergärten gewesen sei, meinte Herr Müller vor allem diejenigen, die in der Vergangenheit Grund und Boden zu Verfügung gestellt haben. Heutzutage sind alle Vereinsmitglieder dazu angehalten in ihren Vereinen Aufgaben wahrzunehmen und so das Vereinsleben am Laufen zu halten: denn ohne Kleingarten- oder Schreberverein kein Kleingarten.

Herr Müller bedauert das immer häufiger vorkommende mangelnde Engagement unter den Gartenfreunden für die Vereinsarbeit. Was allerdings aus seiner Sicht nicht nur ein Vereins- sondern mehr ein gesellschaftliches Problem in der heutigen Zeit darstellt.

Eine Interviewfrage war, ob die Leipziger Kleingärten denn genauso von möglichen Bauprojekten bedroht sind. Wie zum Beispiel in Berlin wo Kleingärtenvereine wegen möglichen Bauvorhaben jedes Jahr aufs Neue um Ihre Existenz bangen. Daraufhin meinte der Verbandschef, dass dem nicht so wäre, da die Gärten in Leipzig nicht auf Bauland stehen. Er räumte jedoch ein, dass es keinen 100 prozentigen Schutz gibt aber in solchen Fällen würde die Stadt Leipzig, Ausweichflächen für die Gartenvereine zur Verfügung stellen.

Zu meinem Argument: „Wie in anderen Großstädten auch, werden die Mieten immer teurer. Könnte man denn da nicht auf die Idee kommen ganzjährig in seine Gartenlaube zu ziehen?“ Herr Müller erwiderte, dass das nicht erlaubt sei und zudem gebe es nicht die nötige Infrastruktur um einen ganzjährigen Aufenthalt zu gewährleisten. Denn über die Wintermonate wird in den Vereinen das Wasser abgedreht, da die Leitungen zumeist oberirdisch verlaufen. Einige Vereine schalten über den Winter auch den Strom ab. Außerdem würde auf Dauer die Entsorgung ein Problem darstellen, sei es nun Müll oder Abwasser. Aber wie in so vielen Fällen gibt es auch hier Ausnahmen. Denn in einigen wenigen Gärten gibt es ein Wohnrecht, welches noch aus DDR-Zeiten stammt und dieses wird durch das Bundeskleingartengesetz gedeckt. Wenn aber illegale Nutzungen der Gärten bekannt werden, wird dagegen vorgegangen, auch unter behördlichen Auflagen.

Wenn man nun selbst einen Garten bewirtschaften möchte, sollte man sich über einiges im Klaren sein. Denn bei der Übernahme eines Gartens kauft man nicht den Garten, sondern nur das was oben drauf steht: das Land wird gepachtet. Zudem wird man Teil eines Vereins in dem es Regeln gibt und ein friedlicher Umgang gepflegt werden sollte. Aus diesem Grund sollte man auch Kontakt mit dem Verein pflegen, um so immer im Bilde darüber zu sein, was im Verein vor sich geht und wie man sich dort engagieren kann. Zudem hat Herr Müller vor, das Gespräch mit Baumärkten zu suchen, damit diese Kleingärtner über die Rechtslage in Kleingartenvereinen bezüglich Laubengröße und Bepflanzung informieren. Denn nicht alles, wo Garten draufsteht, darf in den Kleingarten.

Und nun zum Schluss die entscheidende Frage: „Welcher Typ Mensch sind Kleingärtner?“ Dazu Herr Müller mit einem heiteren Unterton: „Zumindest nicht spießig, wie sie immer hingestellt werden.“ Gartenfreunde sind Menschen aller Couleur, seien es nun Leute mit einem akademischen Grad, mittelständige Arbeiter und Handwerker oder auch Menschen mit weniger finanziellen Ressourcen. Sie alle lieben und leben das Kleingartenleben.

Nun wird es aber langsam Zeit, selbst in die Gartenanlagen zu gehen und sich die Blütenpracht und Früchte anzusehen und die laufende Gartensaison zu genießen.

Und hier für Interessierte ein Link zu weiteren Gartenprojekten.

Bildquellen: Redaktion Eindruck, Pixabay
„Dig on for Victory“-Künstler Peter Fraser, Wikipedia

Es grünt so grün…
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Eine Antwort

  1. CherryGuy

    Interessant, interessant… und die Bilder! Die Bilder sind ja absolut toll! 😀

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