Einleitende Worte

Dass sich einige Fahrzeug- bzw. Seitenwagenhersteller oftmals an der Form bzw. den technischen Neuerungen der Firma Stoye Fahrzeugbau Leipzig orientierten wurde ja bereits im ersten Teil dieser Artikelserie angedeutet. Wie sieht es aber mit Lizenzbauten bzw. Weiterentwicklungen aus? Anhand der drei Bilder eines HTH Seitenwagen aus Sachsen unten stellt sich die Frage, wo kopieren anfängt und Inspiration aufhört. Für diesen frühen HTH Seitenwagen lieferte Stoye die Karosserie. Zu erkennen ist dies an der Falzverbindung, welche nur bei Stoye in dieser Form Anwendung fand. Der Frage der Kopien und Lizenzen möchte ich mich daher im zweiten Teil der Serie zu Leipziger Seitenwagen zuwenden und werde abrundend noch etwas zu Leipziger Seitenwagen an den verschiedenen Motorradmarken in aller Welt ausführen. Es bleibt also spannend! Viel Spaß beim Lesen wünscht der Autor!

Leipziger Stoye Seitenwagen als Lizenzen, Kopien und Weiterentwicklungen in aller Welt

Bedingt durch die sich ändernde politische Situation in Europa wurden ab ca. 1935 in Allschwil (Schweiz) bei der Firma Ernest Haller Seitenwagenbau Lizenzen des VS Standard und TS- Luxus Seitenwagen von Stoye gebaut, nachdem diese bereits vereinzelt auch in die Schweiz exportiert worden waren. Teilweise wurden die Karosserien auf Fremdgestelle gesetzt. Linksseitige Anbauten waren in der Schweiz eher die Regel als die Ausnahme so zumindest der Eindruck bei der Recherche zu diesem Artikel. Authentische Haller Gespanne sind zum Beispiel die von Andreas Seipelt auf seinem Bloq dokumentierten schweizer Motorräder von Condor (Courfaivre) und Motosacoche (Genève/Genf), desweiteren eine Zündapp (Nürnberg) KS 500 mit VS Standard Seitenwagen (linksseitig).

Und auch auf dem Gebiet der Tschechoslowakei (ČSR) baute man zwischen 1938 und 1939 Lizenzen des Leipziger Stoye Seitenwagen unter dem Label ČZ (Česká zbrojovka Böhmische Waffenwerke; ab 1939 teilweise auf BW – Böhmische Waffenfabrik – umgelabelt) an ČZ Motorräder aus Strakonice an. Wie diese Kooperation zustande kam ist bisher nicht weiter geklärt, verwundert aber da die Tschechoslowakei bereits seit den 1930er Jahren über mehrere erfolgreiche Seitenwagenhersteller verfügte. Als die bekanntesten von ihnen sind B.A.F. (Firma Artur B. Frisek), ERA (Firma Eduard Jíra), Favorit (Firma Josef Tůma), „T“ (Firma Jiří Tachecí) und TAP (Firma Adolf Tlustoš) aus Prag sowie Orion (Firma Vilém Michl) aus Slaný (Nordböhmen) zu nennen.

Neben ČZ hatten auch andere Motorradfirmen in der Tschechoslowakei ihre eigene Seitenwagenherstellung bzw. übernahmen Seitenwagenmodelle der bereits genannten Hersteller. Zu nennen seien hier Čechie-Böhmerland (Firma Albin Hugo Liebisch, Krásná Lípa), BD-Praga (Firma Breitfeld & Daněk, Prag), JAC (Firma Jaroslav A. Cvach), Premier aus Cheb (Produktion von 1913 bis 1933) sowie Jawa (Firma František Janeček – der Firmenname ist eine Zusammenziehung aus Janeček und Wanderer).

Anhand der Entwicklung der Seitenwagen an den Jawa Motorrädern lässt sich aufzeigen, dass bei Jawa vor als auch nach dem Krieg das Thema Seitenwagen genauso eine große Rolle spielte wie in der DDR bei MZ die Firma Stoye. Der rechte Seitenwagen in der Bildergalerie wurde von der Firma Velorex (Hradec Králové) gefertigt, Modell 560 (Bauzeit 1957 bis 1975). Diesem bereits formtechnisch sehr außergewöhnlichen und  bereits aus Kunsttoff gefertigtem Modell folgte danach der eher schlicht gehaltene Velorex 562, welcher heutzutage – da er recht günstig ist und im Neuzustand originalverpackt aus Lagerbeständen meist nicht mehr als 800 Eu kostet – sehr oft auch an moderneren Maschinen verbaut wird. Seine Nachfolge trat mehr oder weniger der eher skurill anmutende und sperrige Velorex 700 an. Die in der Galerie links und in der Mitte befindlichen Seitenwagen sind für Jawa entwickelte Seitenwagen tschechoslowakischer Provenienz. Der an der Jawa Perak (Bild in der Mitte) befindliche Seitenwagen wird oft wegen seiner komfortablen Federung gelobt.

Bereits zu DDR Zeiten waren Jawa (Týnci nad Sázavou) Motorräder mit dem Seitenwagenmodell Velorex 560 aber auch dem ungarischen Duna Seitenwagen in der DDR, also auch in Leipzig zu sehen. Beim Anschlusssystem der tschechoslowakischen und ungarischen Seitenwagen nach dem Zweiten Weltkrieg sieht man wiederrum den weit über Leipzig wirkenden Einfluss der Entwicklungen Walter Stoyes. Der Kugelschnellanschluss von Stoye fand somit auch an Jawa 250 und 350 (Bauzeit 1956 bis 1962 / „Kývačka“) sowie an Duna Seitenwagen, welche an Pannonia (Firma Csepel Budapest) Motorräder mit 250 ccm Hubraum montiert wurden, Verwendung.

Links ist die Bauzeichnung für das Jawa/Velorex und rechts das Pannonia/Duna Kugelschnellanschlusssystem zu sehen.

Nach 1990 wurde bei den mittlerweile mit Viertaktmotoren versehenen Einzylinder 500 ccm Motorrädern aus Zschopau das Velorex Modell 562 angebaut. Retten konnten diese eher wackeligen Gespanne die Traditionsfirma aus dem Erzgebirge jedoch auch nicht mehr. Die Zeit der Gespanne schien zu Ende gegangen zu sein. Wenn interessierte Enthusiasten auf Gespanne setzten dann zunehmend auf leistungsstarke Komplettumbauten mit Vorderradschwinge und Autofelgen. Das Interesse für die eher kleinen Gespanne mit Stoyeseitenwagen stieg erst im fortschreitenden Zeitenlauf wieder an.

Doch zurück zum Leipziger Stoye Seitenwagen in der Tschechoslowakei. Sehr interessant ist, dass die Stoye Seitenwagen Leicht und Luxus zunächst an der linken Seite der 250, 350 bzw. 500 ccm großen ČZ Zweitaktmotorräder befestigt wurden. Sie kamen erst auf die rechte Seite, als sich mit der Okkupation des s.g. Sudetenlandes durch das Deutsche Reich im Oktober 1938 das tschechoslowakische Parlament genötigt sah, die Pariser Konvention von 1925, welche die rechte Seite als Fahrspur vorsah, umzusetzen. Libor Marčík schrieb 2010 dazu in seinem ČZ Motorrad Buch: „Der linksseitige Anbau der Seitenwagen an unsere Motorräder galt nur bis zur Ankunft der Nazis, welche danach Stück für Stück unsere lang erwartete Änderung der Verkehrsregeln umsetzten“ [1]. Um den Anbau eines Seitenwagens etwaigen Interessierten schmackhaft zu machen, wurde bei ČZ  – ganz dem Zeitgeist verhaftet – auch rhetorisch auf bestimmte Rollenklischees zurückgegriffen. So hieß es in der Zeitschrift Motor Revue Nummer 364 vom 20.6.1939 „Ein 500ccm ČZ Motorrad mit einem eleganten Seitenwagen ist so verlockend, dass kein hübsches Mädchen dem widerstehen kann“ (Eigene Übersetzung). Im Verkaufsprospekt von 1938 wird der Komfort der Stoye Lizenz in Form des bequemen Kunstledersitzpolsters, der Gummifederung und der „schwingenden und federnden Gummireifen“ betont [2]. Ein Seitenwagen Leicht kostete damals 1500 Kronen und ein 65 kg schwerer Luxus 2500 Kronen, ein komplettes 500er Gespann hingegen schon ganze 11 900 Kronen.

Wie Petr Hošťálek auf der Seite seines Südböhmischen Motorradmuseums in České Budějovice unter der Kategorie ČZ Seitenwagen zeigt, gab es für das 500 ccm große ČZ Motorrad auch einen Geländeseitenwagen (linksseitig) für die Armee. Dieser an den Stoye KS Gelände angelehnte Seitenwagen war mit Maschinengewehr ausgestattet und – wie Hošťálek schreibt – vor der Zeit des Münchner Abkommens von ČZ angedacht gewesen. Ob und wie oft dieser Seitenwagen dann nach der Okkupation durch das Deutsche Reich gebaut und verwendet wurde, ist unklar. Marcel Malypetr schreibt 2011, wie bereits im ersten Teil erwähnt, in seinem Buch Tschechoslowakische Seitenwagen von einem 250 ccm großen leichten ČZ Motorrad mit linksseitigen KS Gelände.

Zwischen 1952 und 1954 tauchte auf dem westdeutschen Markt ein Seitenwagenanbieter unter dem vielversprechenden Namen Diana (Göttin der Jagd) auf. Die angebotenen Modelle waren identisch mit Stoye Fabrikationen. Karl Reese schrieb in seinem 2011 erschienenen Buch Deutsche Seitenwagen, dass diese Markteinführung nur mit mäßigem Erfolg honoriert wurde. Zwar lagen die Diana Seitenwagen preislich auf dem gleichen Niveau wie die von Steib aus Nürnberg, wurden jedoch bis auf ein paar Exemplare nicht so oft verkauft. Angeboten wurden drei Modelle. Seitenwagen für Motorräder bis 250 ccm, für Maschinen mit 350 bis 500 ccm und Maschinen ab 500 cm Hubraum. Neben dieser S-Serie gab es parallel noch gegen Aufpreis die Tourenmodellversion mit einem größeren Kofferraum.

Verstellbarer Mittelanschluss. Ausschnitt aus Stoye Prospektblatt 1937. Archiv M. Wermes

Wie bereits bei dem Anschlusssystem der Stoye Seitenwagen in den 1930er Jahren konnte der Mittelstrebenanschluss verstellt werden, um den Sturzwinkel den gegebenen Straßenverhältnissen auch während der Fahrt anpassen zu können [3]. Mehrfachen Ankündigungen und Annoncen zum Trotz wurde der Versuch nach zwei Jahren aufgrund des mangelnden Erfolgs wieder aufgegeben. Was mit der OHG Diana Seitenwagenfabrik in Wrexen/Waldeck danach weiter geschah ist nicht bekannt.

Inwieweit der ca. 1952 gebaute Felber Seitenwagen – zumindest von der Karosserie her – sich an Stoye orientiert hat ist noch zu klären. Der aus Stahlblech gefertigte Wiener Leichtbeiwagen (Ausführung B) hat die geschwungene Form und sogar eine ähnliche Flügelform des Markenlogos am Bug. Bei Knittel/Vollmar 1989 ist ein Prospektblatt inkl. Preisliste und bei Franitza 1986 ein restauriertes Horex (Bad Homburg) Regina 1 Gespann mit diesem Stoye ähnlichen Seitenwagenboot abgebildet. Die meisten im Internet veröffentlichen Bilder von Felber Seitenwagen haben im Gegensatz zu den bei Knittel/Vollmar und Franitza dokumentierten Exemplaren nicht die Falzung wie sie gerade für Stoye Karosserien typisch waren.

Norton (GB) mit Prècision Seitenwagen. Archiv M. Wermes

In Frankreich und Belgien begeisterte man sich ebenfalls mehrere Jahrzehnte für die klassische 1930er Jahre Form des geschwungenen Stoye Seitenwagenboots.  An der Stelle, an der bei Stoye das symbolische „S“ stand, befand sich nun das Markensymbol von Prècision. Das liegende „P“ in einem Kreis ist eine Bügelmessschraube, welche scheinbar den präzise verarbeiteten Seitenwagen und die Qualität des Produkts stilisieren soll. Zunächst durch den Pariser Victor Bastide in Lizenz gebaut und nach Belgien und Großbritanien exportiert, wurden zwischen 1934 und 1952 die verschiedenen Stoye Modelle im Pariser Stadtteil Clichy in der Rue Martre 39 als Prècision Seitenwagen gefertigt. Nach Kriegsende übernahm der belgische Importeur und Rennfahrer Frans Vanderschrick die Produktion für Belgien und war selbst als Gespannrennfahrer (auf Norton Eigenbau mit geänderter Nockenwelle) bis zu seinem Tod 1952 mindestens sechsmal mit Prècision Rennseitenwagen, die den Stoye Konstruktionen glichen, erfolgreich. Bei verschiedenen Wettbewerben wie Straßen- aber auch Grasbahnrennen (in Form von Gleichmäßigkeits-, Langstrecken und Zuverlässigkeitsrennen) stellte er sein sportliches Können unter Beweis, bis er schließlich im Juli 1952 bei einem dieser Rennen tödlich verunglückte. In Aluminium gefertigt wurden bei Prècision drei Grundmodelle angeboten: Standard, Limousine und Super de luxe. Darüber hinaus gab es noch ein sehr leichtes Grundmodell, welches trotz seiner Stahlkarosserie lediglich 39 kg wog und an leichte Motorräder mit 250 ccm Hubraum geschraubt werden konnte. Das Autorenkollektiv Duchateau/Huylebroeck et al. weiß 2009 in ihrem Buch über belgische Motorräder desweiteren zu berichten: „Im Jahre 1948 wurde das Modell Prècision TS Grand Luxe für 12.900,- belgische Franken angeboten“ [4]. Darüber hinaus gab es auch einen verkleinerten Stoye VS Leicht abgeänderten Prècision Seitenwagen, welcher an Vespa Blechschaltrollern aus Italien mit verkleinerter Felge gebaut werden konnte. Ob durchgängig und wie lange an der Produktion der Prècision Seitenwagen in Belgien bzw. Frankreich festgehalten wurde, ist noch zu klären. Jedenfalls finden sich im Motorrad-Gespanne Katalog Jahrgang 1992/1993 zwei Harley-Davidson Sportster Gespanne mit dem einstigen Stoye Lizenzbau von Prècision wieder. Diese wurden durch den deutschen Gespannbauer Peter Sauer (Produktion 1988 bis 2006) in Karby/Brodersby (Schleswig-Holstein) angeboten. Die Prècision Seitenwagen wurden Ende der 1980er Jahre in zwei Versionen angeboten – Modell Tourisme und Aiglon also mit Kofferraumklappe und ohne, montiert auf geänderten Fahrwerken mit teilweise hydraulischen Stoßdämpfern. Der Katalog führt weiter aus, dass sich die aus Blech hergestellten klassischen Stoye bzw. Prècision Boote aufgrund ihrer klassischen Form auch für andere Retromotorräder wie Royal Enfield eignen würden und präsentiert im Katalog auf Seite 88 auch gleich einen solchen Peter Sauer Umbau. Auf Oldtimer Internetseiten kursieren auch Bilder von Linksläufer-Prècision-Gespannen so z.B. mit BSA Sloper (GB) als Zugmaschine oder einer Sarolea (Belgien) mit 600 ccm. Aber auch rechtsseitige Seitenwagen beispielsweise an Ariel VB 600 sind zu finden. Zu der Produktionszeit unter Frans Vanderschrick ist eine Produktionsadresse in Brüssel angegeben: Steenweg op Bergen 572 (heute wahrscheinlich umbenannt) und für das Jahr 2013 Rumes bei Doornik, nahe der Grenze zu Frankreich [5].

Ein weiterer Stoye Seitenwagen bzw. das Karosseriebaumuster dürfte hingegen vielen bekannt sein, die Motorräder mit Seitenwagen im Alltag bewusst wahrnehmen. Es geht um den militärischen Seitenwagen (Heeresseitenwagen Stoye BW38/39 bzw. 40/43) welcher nach dem Zweiten Weltkrieg an verschiedenen Motorradmarken Verwendung fand und von den Herstellern in adaptierter Form weitergebaut bzw. -entwickelt wurde. So zum Beispiel von Ural (Irbit/Russland), Dnepr (Kiew/Ukraine) und Chang Jiang (Hangzhou/Volksrepublik China) als Komplettgespanne oder in Westdeutschland als Weiterentwicklung TR 500 durch Steib und folgend Helmut Walter (Körle bei Kassel) und Gunnar Carell (Haren/Ems) in drei in der Breite variierenden Versionen. Die Fahrgestelle wurden von den beiden letztgenannten Gespannbauern selbstredend jeweils den aktuellen Bedürfnissen angepasst. Die neueren TR 500 sind nicht mehr aus Metall, sondern aus mehrfach handlaminiertem Kunststoff gefertigt.

Doch wie kam es zur Enticklung dieses Seitenwagens? Nachdem bereits der Geländeseitenwagen Stoye RW und KS entwickelt worden war, schrieb die Allgemeine Heeres-Versuchs und Entwicklungsanstalt für Kraftfahrzeuge beim Oberkommando der Wehrmacht (kurz OKW) in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg ca. um 1938 einen Wettbewerb für einen künftigen einheitlichen Wehrmachtseitenwagen aus. Am Wettbewerb beteiligten sich folgende deutsche Seitenwagenhersteller: Royal (München), Steib (Nürnberg), Stoye (Leipzig) und Tabel (Creußen). Stoye Fahrzeugbau Leipzig konnte mit seinem Muster schließlich den überzeugendsten Entwurf liefern. Die drei anderen Hersteller wurden verpflichtet, das genormte Einheitsboot nach Stoye Zeichnung Nr.021 B 26483 nachzubauen. Dass die meisten Heeresseitenwagen die heute noch existieren hingegen von Steib stammen ist deren Preispolitik geschuldet, welche von Walter Stoye nicht getragen wurde. Deshalb wurden in Leipzig selbst keine so großen Stückzahlen gefertigt, wie zu erwarten gewesen wäre, so Claus Hüne bei einem Vortrag am 3.9.2019 in der HTWK Leipzig. Dass die Seitenwagen während des Wettbewerbs ausgiebig und rücksichtslos getestet wurden, zeigen zahlreiche Bilder, welche auf der Versuchsstrecke beim OKW in Wünsdorf bei Zossen (Brandenburg) entstanden. Der Krieg und die Barbarei, welche knapp ein Jahr später mit Beginn des Zweiten Weltkriegs in diesen Seitenwagen an die Front getragen wurde, fand erst mit den Bombardierungen der Alliierten auf Nazideutschland Anfang 1945 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 ein jehes Ende.

Dass aktuell nachwievor Gespannumbauten von klassisch anmutenden Motorrädern in Kombination mit Repliken von Stoye Seitenwagen beliebt sind, zeigt ein Artikel in der Oldtimer Praxis vom September 2019. Unter dem Titel Aus dem Redaktionsfuhrpark wird der Umbau einer Moto Guzzi V7 Baujahr 1973 mit TR 500 (Repro von Ideal) Seitenwagen gezeigt. Erwähnt wird im Artikel in einer Bildunterschrift auch, dass das (vom Chefredakteur Lars Rosenbrock s.g.) Kugel-Maul-System von Stoye in den frühen dreißiger Jahren entwickelt worden sei. Wie bereits im ersten Teil der Serie erwähnt, ist die Patentschrift für den D.R.P. Nr. 511173 Kugelschnellanschluss vom 28.7.1929 und wurde 1932 zur DIN Norm erhoben und damit von den meisten deutschen Seitenwagenherstellern übernommen. Nicht  unerwähnt bleibt ebenfalls, dass der Steib TR 500 im Grunde genommen auf den Seitenwagen BW 38 zurückgeht der in den 1930er Jahren bereits an Behörden- und Wehrmachtsgespannen verbaut war.

Dnepr (im Deutschen auch mit Dnjepr transkribiert) mit Seitenwagen linksseitig. Ausschnitt aus Prospektblatt [ohne Jahr]. Archiv M. Wermes

Zwischen 1974 und 2000 wurden in Großbritanien zunächst unter dem Namen Cossack später Neval die russischen Dnepr MT 11 und MT 16 Seitenwagenmotorräder verkauft. Die beiden Maschinen hatten ihren Militärseitenwagen linksseitig angebracht. Mit dem Import nach Großbritanien kam also auch auf die Insel ein Nachfahre des Stoye BW 38 Heeresseitenwagen – diesmal in friedlicher Absicht.

Aktuell vertreibt die Firma Walter Motorrad-Gespanntechnik in Wabern-Harle (Hessen) die Modelle Stoye RS und Stoye Sport als Anderthalb- und Zweisitzer Seitenwagen. Dieses noch vom MZ Werk IV (Stoye Leipzig) Ende der 1980er Jahre in seiner Grundform entwickelte Seitenwagenboot wurde auf der IFMA 1990 in Köln vorgestellt, in Leipzig selbst aber nicht mehr hergestellt. In der Motorrad Gespanne Zeitschrift Nummer 16 vom September 1992 stellt Martin Franitza ein Stoye-RT-Beiboot an BMW K 1100 LT vor. Der sehr großzügige Doppelsitzerseitenwagen wog leer 105 kg und hatte innen eine Sitzbreite von 900 mm was für zwei Erwachsene mit zwei Kindern inklusive Gepäck komfortmäßig keine Wünsche nach oben hin offenließ. Die Firma Helmut Walter Gespanntechnik hatte damals ihren Firmenstandort in Körle bei Kassel und wurde 2005 an die Mitarbeiter Ulrich von Zech und Andreas Rödiger verpachtet, welche auf ihrer Internetpräsentation verschiedene als Stoye bezeichnete Seitenwagen anbieten. So zum Beispiel auch ein Stoye Classic Modell welches – auf ein modernes Fahrwerk montiert – von der Karosserieform her an die alten Modelle der 1930er Jahre erinnert. In einem Helmut Walter Porträt des Reise- und Motorrad Online Magazins Winni Scheibe ist die Rede davon, dass 1990 die Markenrechte für Stoye gesichert worden wären. An dieser Ausführung darf hingegen gezweifelt werden. Wie eine Stichwortsuche auf www.motorrad-gespanne.de zeigt, wurde und wird der Stoye RS und RT Seitenwagen lediglich an PS-starke Maschinen mit mindestens 1000 ccm Hubraum verbaut – so zum Beispiel BMW, Honda (Japan) Goldwing und Kawasaki (Japan) VN 1500. Seit fast zehn Jahren fertigt und restauriert Andreas Seipelt in Berlin – Bohnsdorf unter dem Signet Stoye Fahrzeugbau Berlin Leipziger Seitenwagen der Marke Stoye. Ergänzt ist sein Angebot durch neue selbstentwickelte Karosserieformen und verstärkte Fahrwerke für schwere Harley-Davidson (USA) Maschinen. Darüber hinaus bietet er auch Ersatzteile an und hilft bei Neuzulassungen der Seitenwagen auch an modernen Motorrädern. In Ungarn verkauft die Firma Old Moto Auto Seitenwagen welche an die Stoye Konstruktionen errinnern. Bis auf Glanz und die klassischen Formen der Leipziger Seitenwagen scheint darüber hinaus kein größeres Interesse zu bestehen das Niveau der technischen Entwicklungen Walter Stoyes aufrechtzuerhalten. Die Fahrgestelle sind alle einheitlich und es wird kein Unterschied zwischen SM/TM- und Elastikbaureihe gemacht. Fatal da die Seitenwagen für das Langschwingenmodell Simson 425 Sport als auch AWO/Simson Tour mit Geradewegfederung angeboten werden.

Stoye Seitenwagen an verschiedenen Motorradmarken

Wenn man mal von den Lizenzen, Kopien und Nachfertigungen von Stoye Seitenwagen absieht, so kann man zunächst feststellen, dass diese seit Beginn der Produktion an verschiedene teilweise auch nicht deutsche Motorräder montiert wurden. Bereits in den 1920er und 1930er Jahren wurden Stoye Seitenwagen mit verschiedenen Motorrädern deutscher Hersteller in Symbiose gebracht, wie beispielsweise auf dem Bild unten zu sehen ist [6].

Schüttoff G 500 mit Stoye Seitenwagen / Elite Opel 500 mit Neander Seitenwagen (linksseitig). © Sam Gamdschie / Wikipedia [CC BY 3.0]

Teilweise nachträglich aber auch bereits mit eigenem Firmensignet versehen tauchen Stoyegespanne in den regulären Katalogen deutscher Markenhersteller auf. Eine Innenansicht der Stoye Fabrikationshalle im Dösner Weg von ca. 1935 zeigt mehrere Stoyeboote mit unterschiedlichen Markenzeichen. Es liegt die Vermutung nah, dass die fertigen Seitenwagen bereits mit dem jeweiligen Firmensignet an die Motorradhersteller ausgeliefert wurden.

Bereits im Jahr 1931 bewarb der Motorradhersteller Zündapp (Nürnberg) die Vorteile eines s.g. Linksbeiwagen an seinem Modell Zündapp S 500 – kombiniert mit Stoye Modellreihe 1930/1931. In der Zeitschrift Das Motorrad Nummer 12 vom 21.03.1931 wurde werbeträchtig die Reise von Julius von Krohn und Oskar Weller Von Marokko zum Polarkreis in 17 Tagen dargestellt, welche die Qualität der Marken Zündapp und auch Stoye unterstrich. 

Stoye Sport Seitenwagen bereits mit Zündapplogo ab Werk. Ausschnitt aus Prospektblatt 1933. Archiv M. Wermes

Im Verkaufsprospekt Zündapp 1933 allen voran! sind zwei Stoye Seitenwagenangebote dargestellt:  Stoye Sport und Touren Seitenwagen je zu 240 bzw. 260 RM, wahlweise mit oder ohne Schwingachse. Der Sport Seitenwagen trägt vorne rechts das Zündapplogo. In der Gesamtdarstellung der Zündappmotorräder von Thomas Reinwald (2006) ist auf Seite 38 ein Werbefoto einer Zündapp K400 mit Stoyeseitenwagen zu sehen, welcher das Zündapplogo vorne rechts angebracht hat. Ernst Klacks Leverkus führt eine Geschichte aus seinem Militärdienst während der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus, in dem er von einer Fahrt mit einer Zündapp K500 mit Stoyeseitenwagen in einer Kaserne in Dresden zu berichten weiß [7]. Petr Hošťálek vom südböhmischen Motorradmuseum dokumentiert auf seiner Seite ebenfalls ein Zündappgespann mit eigenem Markenlogo auf dem Seitenwagenboot. Bereits sehr früh gab es auch Motorradmarken mit dem Reichswehr Modell Stoye RW bzw. Geländeseitenwagen. So zum Beispiel Zündapp K800, Victoria KR6 oder NSU 601 OSL. Victoria, NSU und BMW waren es dann auch, die bei der Internationalen Sechstagefahrt 1936 mit Stoye Geländeseitenwagen insgesamt neun Gold- und eine Silbermedaille einfahren konnten.

Im Jahr 1927 kaufte der Gastwirt Johannes B. aus Cosel in Sachsen eine Wanderer (Schönau-Chemnitz) 5,7 PS (750 ccm Hubraum, OHV Ventilsteuerung, 20 PS bei 450 U/min) und stattete diese sobald mit einem sportlichen und leichten Seitenwagen von Stoye Fahrzeugbau Leipzig aus. Die Geschichte dieses Gespanns ist im Motorrad-Classic Heft vom März/April 2003 überliefert. Bis zum damaligen Zeitpunkt war die Maschine mit Unterbrechungen in Betrieb. Der reich bebilderte Bericht beschreibt den Besitzerwechsel des Wanderer Gespanns Ende der 1960er Jahre und den Fortgang in der Familie des Zweitbesitzers. Das Gespann dürfte damit eines der wenigen im Originalzustand erhalten gebliebenen Fahrzeuge aus den 1920er Jahren gewesen sein.

Stoye Seitenwagen an Schüttoff G 500. Archiv C. Uhlmann

Ebenfalls ein sehr schönes und zum Glück erhalten gebliebenes Stoye Gespann mit Schüttoff (Altchemnitz) G 500 Motorrad von 1928 ist jenes von Frieder Bach vom  Museum für sächsische Fahrzeuge Chemnitz e.V. in der Zwickauer Straße 77 in Chemnitz. Das seitengesteuerte Einzylinder Viertaktmotorrad verfügt über 13,5 PS aus 500 ccm Hubraum, eine Dreiganghandschaltung und fährt bis zu 85 km/h schnell. Laut Aussage des Besitzers  leistete es „[i]n der Notzeit nach dem Krieg […] unschätzbare Dienste bei “Hamsterfahrten”, wobei es schwer geschunden wurde. Irgendwann wurde es abgestellt und fast vergessen […]“ bis es mit Aufkommen des größeren Interesses an alten Fahrzeugen wieder revitalisiert wurde.

D-Rad 05 1927 mit Stoye Seitenwagen. Archiv C. Uhlmann

Die Berliner Motorradmarke D-Rad (Spandau) bewarb ihre Modelle mit dem Zusatz „Die ideale Sozius- und Beiwagenmaschine“ [8]. Ein sehr schönes Beispiel für ein D-Rad R 05 (Baujahr 1927) Gespann mit Stoye Seitenwagen Tourensport ist jenes, welches über mehrere Jahrzehnte von dem Leipziger Oldtimerenthusiasten Gerhard Fenske liebevoll im Originalzustand erhalten wurde. Darüber hinaus dokumentierte Martin Franitza 1986 ein in München ansässiges D-Rad R 09 (500 ccm Hubraum, 12 PS) Gespann mit Stoye Seitenwagen. Er schreibt: „Das Seitenwagenrad bewegt sich in einer gezogenen Schwinge mit gekapselten Schraubfedern“ und, dass sich das tiefliegende Aluminiumboot (beplankt auf Holzrahmen) in einem Knickrahmen befindet [9]. Bis Anfang der 1930er Jahre leistete man sich beim sächsischen Motorradhersteller DKW (Zschopau, später MZ) eine eigene Seitenwagenherstellung, bis man mit Einführung der großvolumigen Modelle DKW SB und NZ 500 auf luxuriöse und komfortable Seitenwagen von Stoye aus Leipzig zurückgriff. Die Seitenwagen erhielten auch hier das DKW Logo. Im DKW Buch von Jörg Sprengelmeyer ist ein DKW NZ 500 Gespann (Bauzeit ab Sommer 1939 bis Ende Krieg) auf Seite 155 abgebildet, welches stolz das DKW Logo auf dem Seitenwagenboot präsentiert, auf dem Schutzblech hingegen den Stoye Schriftzug trägt. Desweiteren auf Seite 145 ein DKW NZ 350 Gespann, sowie auf Seite 140 ein DKW NZ 250 Gespann und auf Seite 115 ein DKW SB 500 Gespann ebenfalls mit DKW Logo auf dem Seitenwagen. Dass auch zeitgenössische DKW Gespanne mit Stoye Emblem auf dem Seitenwagenboot auftauchen, sei nur am Rande erwähnt. In seiner Seitenwagenveröffentlichung von 1986 zeigt Martin Franitza auf Seite 24 ein sehr schönes NSU 501 OSL (20 PS Leistung) Gespann Baujahr 1935 mit Stoye HS Luxus. Auf der Folgeseite sind Detailfotos der bereits erwähnten Gummibandfederung und des verstellbaren Mittelanschluss zu sehen. Und auch Ardie (Nürnberg) verwendete Stoye Seitenwagen und versah sie mit dem eigenen Firmenlogo. Das angebotene Stoye TS Modell verfügte über Gummibandfederung von Neimann, Dreipunktanschluss und verstellbaren Mittelanschluss. Der Stoye HS Geländesteitenwagen wurde mit einer Ardie RBK 501 von 1935 kombiniert – für den Geländeeinsatz selbstverständlich mit Reserverad(-halterung) über dem Stauraum! Und auch bei Triumph TWN aus Nürnberg kamen Seitenwagen von Stoye an die Seite. So zumindest zeigen es Bilder der Leipziger Messe von 1933. Bereits sehr früh wurden Stoye Seitenwagen auch regulär an BMW Motorräder angebaut und fanden erfolgreich bei verschiedenen Rennen wie der Internationalen Sechstagefahrt Verwendung. So zum Beispiel bei den Six Days 1933 in Großbritanien mit dem BMW Werksfahrer Mauermeyer, welcher als Gewinner hervorging. Auf einem archivierten Werbeplakat der BMW AG Historisches Archiv ist ein BMW Stoye Gespann zu sehen, welches bei der ADAC Dreitagefahrt im Harz 1933 siegreich war. Bereits im Jahr 1931 fuhren die BMW Werksfahrer Krauß, Stelzer und Mauermeyer mit BMW R16 und Stoyeseitenwagen aus Leipzig mit. Bei der Internationalen Automobilausstellung 1938 ist auf dem BMW Stand ein BMW Gespann R71 mit Stoye Luxus Seitenwagen zu sehen. Auf einem Prospektbild des BMW Konzernarchivs ist wiederrum ein BMW R12 Gespann mit Stoye TS Luxus Seitenwagen und BMW Logo auf dem Boot abgebildet. Das Fahrgestell war in Zughülsen gelagert. Andreas Seipelt schreibt auf seinem Blog dazu: „das ideale BMW Touren Gespann mit Ersatzradhalter und bis oben hin bepackt dazu noch mit [a]ustauschbarem BMW Rad [,] das ermöglichte die [M]itnahme […] eines Ersatzrades“. Alle hier beschriebenen Abbildungen sowie neueren Stoye Umbauten befinden sich auf Stoye Fahrzeug Blog.

Andreas Seipelt dokumentiert auf seiner Seite darüber hinaus auch verschiedene Haller bzw. Stoye Gespanne, welche sich in der Schweiz befinden. So zum Beispiel eine Harley-Davidson (USA) WL 750 mit Stoye Seitenwagen TS Luxus (linksseitig), welche ursprünglich aus Venezuela stammt. Desweiteren weiß er auch von Stoye Seitenwagen in Argentinien, Chile und Brasilien zu berichten. Im Jahr 2012 erhielt er eine Anfrage bezüglich Teilen für einen Stoye Seitenwagen von der anderen Seite der Erdkugel. Die Anfrage kam aus Kapstadt (Republik Südafrika) und betraf einen linksseitigen Stoye SS Trumpf Seitenwagen an einem BSA (Birmingham) M20 Motorrad. Wie der Seitenwagen nach Kapstadt und an das britische Motorrad kam, wird wohl nie in Gänze zu klären sein, auf jeden Fall stellt dieses ein sehr harmonisches Seitenwagengespann dar. Bilder sind hier zu bestaunen. Ein weiteres britisches Linksseitenwagen Gespann mit Stoye HS Luxus Modell und Norton Motorrad befindet sich im Besitz von Rainer Zumach aus Syke-Ristedt (Niedersachen). Eine 500er Norton ES2 Baujahr 1953 mit Stoye Sportseitenwagen SS Luxus (Baujahr 1935) linksseitig, welches es 2007 sogar bis auf die Isle of men schaffte, ist ebenfalls dokumentiert.

Theoretisch lässt bzw. ließ sich jeder beliebige Seitenwagen an jedem dafür vorgesehenen Motorrad bzw. Motorroller befestigen und als Gespann betreiben. Einige Motorradhersteller bauten entweder reine Gespannmaschinen oder ließen zumindest die Option offen, mit Hilfe von speziellen Anschlüssen, Hilfsrahmen und Klemmvorrichtungen Seitenwagen nachträglich an Motorräder zu befestigen. Heutige Motorräder sind aufgrund der aktuellen technischen Entwicklung (leichte und am PC komplex entwickelte Motorradrahmen) kaum mehr ohne größeren Aufwand zum Umbau auf Seitenwagenbetrieb geeignet. Die Autoren Edmund Peikert und Harald Grote schreiben in ihrem Buch Motorrad-Gespanne im Eigenbau 2002, dass als letzte Motorradserienhersteller, welche die Option des Gespannbetriebs zumindest offen ließen BMW, Moto Guzzi (Italien) und MZ (DDR/BRD) zu nennen sind. Motorräder heutiger Produktion können und werden zwar immer noch zu Gespannen umgebaut; der technische und vor allem finanzielle Aufwand hingegen kennt nach oben hin fast keine Grenzen. So kostet beispielsweise ein 2015 gebautes gebrauchtes großvolumiges Motorrad eines japanischen Großherstellers als Gespannumbau aktuell immer noch weit über 40.000 Eu. Nichtsdestotrotz: Seitenwagen Leipziger Produktion, insbesondere jene von Stoye, ihre Kopien, Lizenzen und Weiterentwicklungen werden nach wie vor – zumindest aber ihre Karosserien – als Grundlage für zahlreiche Neuaufbauten von Gespannen verwendet und erfreuen sich großer Beliebtheit insbesondere bei den Freunden historischer oder klassisch aussehender Fahrzeuge. So gibt es mittlerweile einige Gespannumbauten des von 1999 bis 2016 von Kawasaki (Japan) hergestellten Retromotorrads W 650 bzw. W 800 mit Stoye (Leipzig) oder Wünsche (Pirna) bzw.  Waldmann (Schönteichen/Sachsen) Seitenwagen, unzählige Harley-Davidson (USA) Gespanne mit Stoye Boot oder auch andere japanische Choppermotorräder, die auf die klassische Form der Leipziger Seitenwagenschmiede Stoye und ihren Repliken zurückgreifen. In der aktuellen Motorrad-Gespanne Zeitschrift Nummer 173 vom September/Oktober 2019 wird ein Harley-Davidson FLH Gespann mit der verbreiterten Stoye-Elastik Karosse vorgestellt und auf dem Titelblatt verewigt. Und auch der nach wie vor recht moderne (Super)-Elastik Seitenwagen von Stoye ist ab und an entweder an japanischen, italienischen oder sogar an britischen Motorrädern der 1960er Jahre aber auch an moderneren Maschinen zu finden. Franitza/Götz et al. dazu 2017 in ihrem Buch Das 1 x 1 für Gespannfahrer. Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen: „Legendär: der von Stoye Ende der 50er Jahre entwickelte Elasti[k]-Beiwagen […] [h]eutzutage, nach 60 Jahren, bieten viele aktuelle Seitenwagen nicht den Federungskomfort dieser Elasti[k]baureihe“ [10]. Walter Stoyes später Erfolg?

Nachwort

Ich hoffe der zweite Teil zu Seitenwagen in und aus Leipzig war wieder interessant für Sie. Im sich anschließenden dritten Teil wird es um Motorsport in und um Leipzig gehen. Selbstverständlich natürlich mit Seitenwagenmotorrädern. Ich würde mich freuen Sie auch zu diesem Teil wieder als Leser/Leserin gewinnen zu können.

Nachtrag

In den 2010 erschienenen „Erinnerungen eines alten Motorradfahrers“ von Käthe und Johannes „Hans“ Mittenzwei wird bereits über den Kontakt zu dem belgischen Rennfahrer Frans Vanderschrick und dem geschäftlichen Beziehungen zu ihm berichtet. Auf Seite 25 ist vom belgischen Lizenznehmer „Belga/Stoye Brüssel“ die Rede und auf Seite 37 wird ausgeführt „Die internationale Sechstagefahrt im September 1935 war die erste Fahrt, bei welcher wir als Betreuer anwesend waren. Unsere belgischen und französischen Lizenzfarbikate „Aiglon“ und „Precision“ (RS im Original) waren auch vertreten“ [11]. Wie oben im Text zu ersehen ist habe mich entgegen dem Grundsatz der Geschichtswissenschaft, der Primärquelle zu folgen, für die Auslegung der neueren und vorallem zunächst in der Landessprache erschienenen Quelle Duchateau/ Huylebroeck et. al. 2009 sowie Franitza 1990 und 1992 entschieden. Zeitzeugen können sich wie wir wissen irren und die Aufzeichnungen der Mittenzweis sind Notizen und sollten entgegen der o.g. Werke als Fragment (welches Jahrzehnte später erst erschien) betrachtet werden. Der Herausgeber der Mittenzweiaufzeichnungen schreibt selbst im Vorwort „Ich weiß selbst das einige Details nicht stimmen und das auch Kleinigkeiten etwas verdreht dargestellt werden“ [12]. Zukünftig wäre daher die Frage zu klären, ob es sich bei Aiglon nun um ein Modell oder um den Markennamen für Belgien handelt und ob der Name Belga jemals in einem Handels- oder Firmenregister eingetragen gewesen ist.

Verwendete Literatur (chronologisch angeordnet):

Zündapp 1933 allen voran! [Prospektblatt].

Stoye Seitenwagen Modelle 1937 [Prospektblatt].

Martin Franitza: Seitenwagen und Gespanne. 1905 – 1985. Band 1. Erding. 1986.

Martin Franitza: Seitenwagen und Gespanne. Pendel-Gespanne. Band IV. Erding. 1988.

Ernst Leverkus: Erfahrung kommt vom fahren. 1000 Tipps des Motorrad-Experten Klacks. Stuttgart. 1988.

Stefan Knittel und Klaus Volmar: Deutsche Seitenwagen-Motorräder von Adler und BMW bis Triumph und ZÜNDAPP. München. 1989.

Martin Franitza: Motorrad-Gespanne Katalog 1990/1991. Kornwestheim. 1990.

Martin Franitza: Motorrad-Gespanne Katalog 1992/1993. Kornwestheim. 1992.

Edmund Peikert und Harald Grote: Motorradgespanne im Eigenbau Band 1. Roigheim. 2002.

Jörgen Noll: Sächsisches Urgestein. Wanderer 5,7 PS mit Stoye-Beiwagen. Motorrad Classic. 2/2003. März/April. Stuttgart. [2003].

Thomas Reinwald: Zündapp Motorräder 1921 – 1984. Lemgo. 2006.

Jörg Sprengelmeyer: DKW. Motorräder aus Zschopau 1921 – 1945. Lemgo. 2007.

Karl Reese: Motorräder aus Sachsen. Lemgo. 2008.

Egon Duchateau, Geert Huylebroeck, Nick Jonckheere und Rik Van Eycken: Belgische Motorräder. Lemgo. 2009.

Libor Marčík: Naše motocykly – II. Díl [Unsere Motorräder – II. Teil]. ČZ 1930-1953. Jinočany. Ohne Jahr [2010].

Johannes und Käthe Mittenzwei: Erinnerungen eines alten Motorradfahrers. Hrsg. von Andreas Seipelt. Berlin- Bohnsdorf. 2010.

Marcel Malypetr: Československé sajdkáry. historie, vývoj, rozdělení, jízda [Tschechoslowakische Seitenwagen. Geschichte, Entwicklung, Herstellung, Reisen]. Praha [Prag]. 2011.

Karl Reese: Deutsche Seitenwagen von 1903 bis 1960. Lemgo. 2011.

Martin Franitza, Bernhard Götz, Axel Koenigsbeck und Wolfgang Lorenz: Das 1 x 1 für Gespannfahrer. Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen. Königswinter. 2017.

Lars Rosenbrock: Aus dem Redaktionsfuhrpark. Der schwarze Elefant [Moto Guzzi V7 mit Steib TR 500 Seitenwagen]. In: Oldtimer Praxis. Mainz. 9/2019.

Motorrad-Gespanne Zeitschrift. Nummer 173. September/Oktober 2019. 31. Jahrgang. 2019.

Abkürzungsverzeichnis:

Ardie: Motorradhersteller aus Nürnberg. Firmenname ist eine Kurzform des Namen des Firmengründers Arno Dietrich.

BMW: Bayrische Motorenwerke.

BSA: Birmingham Small Arms [Company]: Birminghamer Kleinwaffen [Unternehmen].

ČSR: tschechisch für Česko-Slovenská republika deutsch Tschechoslowakei.

DIN: Deutsches Institut für Normierung.

D-Rad: Motorradhersteller aus Berlin-Spandau. Seit 1924 Herstellung von Motorrädern unter Namen D–Rad bzw. Derad. Unter Deutsche Industrie-Werke AG bzw. GmbH Fahrzeugherstellung in Bereichen Deutsche Kraftfahrzeugwerke AG bzw. Deutsche Werke AG. Das D in D-Rad bezieht sich scheinbar stets auf die Herkunft aus Deutschland.

D.R.P.: Deutsches Reichspatent.

EMW: Eisenacher Motorenwerke (Produktion bis 1955).

FLH: Damit bezeichnet Harley-Davidson alle großvolumigen V2-Motorräder mit großer Vorderradgabel und hydraulischer Dämpfung.

HTH: Hans Tautenhahn Hartenstein.

HTWK: Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur.

IFMA: Internationale Fahrrad- und Motorrad-Ausstellung, ab 1951.

MZ: Motorradwerk Zschopau.

NSU: Motorradherstellung seit 1901. Kurzwort für Herkunftswort Neckarsulm, welcher sich wiederum aus dem Namen der Siedlung an der Mündung der Sulm in den Neckar herleitet.

OHV: englisch für overhead valves deutsch Überkopfventile bzw. hängende Ventile. Beschreibt die Bauform des Ventiltriebs von Viertaktverbrennungsmotoren. 

OSL: Mit dieser Buchstabenkombination bezeichnete der Hersteller NSU seine Touren-Sport-Luxus Modellreihe.

Triumph TWN: Vollständiger Markenname der Triumph Werke Nürnberg AG.

ZÜNDAPP: Zünder-Apparatebau-Gesellschaft [m.b.H.] Nürnberg.

Anmerkungen/Fußnoten:

Titelbild: Ural mit Seitenwagen auf Oldtimertreffen Ammelshain am 11.8.2019. Archiv M. Wermes.

Münchner Abkommen: Eigentlich Abkommen zwischen Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien, getroffen in München am 29. September 1938. Besiegelte das Ende der Souveränität im Sinne von Grenzhoheit und Wehrhaftigkeit der demokratischen Tschechoslowakei und war ein Zugeständnis Großbritaniens und Frankreichs an das Deutsche Reich. Damit sollte Hitlerdeutschland befriedet werden, schlussendlich konnte sich die Okkupationspolitik des Deutschen Reiches nun weiter Bahn schlagen. Am ersten Oktober 1938 besetzte die Wehrmacht das s.g. Sudetenland, in Folge dessen daraufhin im März 1939 der Rest des friedlich gebliebenen böhmischen (sprich tschechischen) Teils der Tschechoslowakei okkupiert wurde. Nachdem bereits Österreich angegliedert war und in Spanien völkerrechtswidrig seitens des Deutschen Reiches interveniert wurde brach über Europa mit dem Angriff Deutschlands auf Polen am ersten September 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Die zunächst als erfolgrreich gefeierte Appeasementpolitik, welche im Münchner Abkommen ihren Höhenpunkt gefunden haben soll war damit gescheitert und eine der größten Katastrophe der Menschheit begann.

[1]: Vgl. Marčík: 2010. Seite 247.

[2]: Vgl. ebd. Seite 250.

[3]: Vgl. Stefan Knittel und Klaus Volmar: Deutsche Seitenwagen-Motorräder von Adler und BMW bis Triumph und ZÜNDAPP: 1989. Seite 76.

[4]: Vgl. Egon Duchateau, Geert Huylebroeck, Nick Jonckheere und Rik Van Eycken: 2009: Seite 217.

[5]: Vgl. ebd.

[6]: Schüttoff / Opel Motoclub Foto Teilausschnitt aus © Sam Gamdschie / Wikipedia [CC BY 3.0]: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sch%C3%BCttoff_Gespann_SG.jpg .

[7]: Vgl. Leverkus: 1988. Seite 177 bis 178.

[8]:Vgl. Stefan Knittel und Klaus Volmar: Deutsche Seitenwagen-Motorräder von Adler und BMW bis Triumph und ZÜNDAPP: 1989. Seite 28.

[9]: Vgl. Martin Franitza: Seitenwagen und Gespanne. 1905 – 1985. Band 1: 1986. Seite 16.

[10]: Martin Franitza, Bernhard Götz, Axel Koenigsbeck und Wolfgang Lorenz: Das 1 x 1 für Gespannfahrer. Grundlagenwissen über Krafträder mit Beiwagen: 2017. Seite 16.

[11] Johannes und Käthe Mittenzwei: Erinnerungen eines alten Motorradfahrers. Hrsg. von Andreas Seipelt. Berlin- Bohnsdorf. 2010. Seite 25 und 37.

[12] Ebd. Seite 1.

Bildquellen Kugelschnellanschlüsse:

  • Jawa: Marcel Malypetr: Československé sajdkáry. historie, vývoj, rozdělení, jízda. Praha. 2011. Seite 102.
  • Duna: https://www.pannoniafreunde.de/index.php/de/technik-v2/40-duna-seitenwagen/27-duna-beiwagen.html. Zugriff am 19.9.19. 11:41 Uhr.
Industriegeschichte Teil 2: Leipziger Seitenwagen in aller Welt.
4.5Gesamtwertung
Leserwertung: (5 Judge)

Eine Antwort

  1. Erhard Weber

    Danke! Das sind die Beiträge für die man endlich in der Corona-Krise Zeit hat. Es war sehr interessant und hat Erinnerungen geweckt.

    Antworten

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.