Zum 130. Todestag am 25. August 2018

Ausschnitt des Karl-Heine-Denkmals

Der Leipziger Bildhauer Carl Seffner schuf 1896 die Bronzestatue von Karl Heine

Eisenbahnbau- und Wasserbaupionier, Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure, Aufsichtsrat der Leipziger Hypothekenbank, Mitbegründer des Leipziger Bauvereins und Gründer der Leipziger Westend-Baugesellschaft.  Die Liste seiner Mitgliedschaften und Auszeichnungen ist lang. Recht festgelegt sind seine Bedeutungen: Er ist „Industriepionier“ und „Visionär“, für manche gar der „Wundermann von Plagwitz“.

Ein wichtiges Unterpfand seines Erfolges wird dem am 10. Januar 1819 geborenen Carl Erdmann Heine in die Wiege gelegt: Es ist die Abstammung aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Seine Mutter ist eine geborene Reichel, sein Vater betreibt einen englischen Manufakturwarenhandel am Brühl, der Großvater mütterlicherseits kaufte 1787 „Apels Garten“. Das weitläufige Gelände am westlichen Rand der Stadt galt als Perle barocker Gartenkunst und wird als Bauland noch eine gewichtige Rolle spielen.

Mann mit Praxissinn
Der promovierte Anwalt ist ein Mann der Tat. Seine gerade einmal 28-seitige Dissertation schreibt der Student, dem ein Mangel an wissenschaftlichem Sinn attestiert wird, für den Titel und seine angestrebte Heirat. Auch das Thema, „Rechtsgrundlagen für die Nutzung von Flussläufen“, ist pragmatischer Natur. Heine greift nach dem sumpfigen Auen-Gelände westlich der Pleißenburg. Bereits 1844 erfolgt auf sein Betreiben die Aufschüttung eines Dammes im Zuge der heutigen Friedrich-Ebert-Straße. Innerhalb der kommenden zehn Jahre wird auf dem einstigen Gartenareal die heutige Westvorstadt erschlossen.

In der Tat spielen Wasser und Flussläufe eine wichtige Rolle im Wirken Heines: Auf dem väterlichem Gut legt der 17-jährige Heine einen Teich trocken, der „Hufeisen“ genannte Neubau des Familienanwesens führt die erste Leipziger Privatwasserleitung für Küchen und Badewannen. In der Westvorstadt entsteht der „Petersbrunnen“, das erste Badehaus der Stadt. Mit der Anlage des heute nach ihm benannten Kanals wird ihm gar die Rolle eines Visionärs zugesprochen, der die alte Handelsstadt Leipzig mit den Weltmeeren verbinden will.

Exakt geplant und vorbereitet
Indes – ein Visionär ist er auch mit dem schwierig anmutendem Kanal-Projekt nicht. Die sumpfige und wasserreiche breite Aue im Leipziger Westen bietet großflächig Bauland, das in den anderen Vororten der expandierenden Stadt kaum noch zu haben ist. Zur Trockenlegung des Landes braucht Heine den Kanal. In den ersten eineinhalb Jahrzehnten gewinnt er mit ihm mehr als 300.000 m³ Füllmaterial, die das Waldstraßenviertel, die Elster- und Leibnizstraße sowie erste Flächen von Plagwitz und Schleußig entstehen lassen. Alles geschieht durchdacht: Vor der Aufschüttung entfernt man den Mergel aus der Aue, der hochwertigen Lehm für Ziegeleien liefert. Dass der Kanalbau in den ersten drei Jahrzehnten lediglich 30 Meter pro Jahr vorankam, stört daher kaum. Dem Zufall hat es der alles exakt planende Heine nicht überlassen.

Nicht alles geht glatt in seinem Leben. Großvater und Vater sterben früh, der Unterhalt der Familie nimmt ihn in schwierigen Zeiten in die Pflicht. Da gibt es eine Reihe von Prozessen gegen seinen Schwager, auch das frostige Verhältnis zu seinem Schwiegervater kostet Kraft. Nicht einfach ist für ihn der Kindstot des Sohnes und der Tod seiner Frau Doris. Immer wieder stehen hohe Verbindlichkeiten an, die die Einnahmen aufzehren und ihn nahe an den Ruin bringen.

Karl-Heine-Denkmal von Carl Seffner

“Karl Heine müssen Sie sich vorstellen wie ihn das Denkmal zeigt. Er hatte einen großen Garibaldimantel um, in der Hand trug er stets ein Werkzeug, einen Spaten oder eine Hacke. Manchmal kam er auf seinem alten Schimmel angeritten. Brüllen konnte er wie kein anderer, wenn irgendetwas auf der Baustelle nicht klappte.” (Ein Zeitzeuge aus der Firma Rudolph Sack)

Heine ist ein Pragmatiker mit viel Sinn für die wirkungsvolle Verbreitung von Visionen. So verkauft er der Öffentlichkeit schon einmal eine zu breit geratene Aushubstelle am Kanal als „Seeprojekt mit Damen- und Herren-Schwimmanstalt“. Um hemdsärmelige Lösungen ist Heine nie verlegen. Nach dem Verkauf der ersten Plagwitzer Grundstücke stellt er die vertraglich zugesicherte Anbindung an das Leipziger Straßennetz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion selbst her. Aus Dresden signalisiert man vorab Rückendeckung, der missgestimmte Leipziger Rat muss es bei einer Strafe von 30 Talern belassen.

Patriarch eines Imperiums
Als der streitbare Heine die Strafe bezahlt, ist er selbst Leipziger Stadtverordneter. Aus seinem guten Verhältnis zum Dresdner Hof und zum 1862 verliehenen Ritterkreuz des Albrecht-Ordens macht er keinen Hehl. Ab 1869 sitzt er im sächsischen Landtag, ist von 1873 bis 1877 Mitglied des Reichstages, doch strebt er keine politische Karriere an. Trotz aller Lobbyarbeit ist Heine vor Ort gebunden. Bereits früh legt er den eigenen Wohnsitz in den neuen Vorort, für Leipziger Bürger eher ungewöhnlich. Er tätigt Grundstückskäufe und Bauland-Erschließungen, zu seinem Firmenimperium gehören sowohl landwirtschaftliche Güter als auch moderne Ziegeleien, Wäschereien oder eine Aromafabrik. Er erschließt sein Industriegebiet mit einem Eisenbahnnetz, investiert, schießt große Summen vor. Heine beschäftigt 500 Arbeiter im Baubereich, er gewinnt Baumaterialien und transportiert sie kostengünstig über seinen Kanal zu den Leipziger Großbaustellen.

Die Fülle der täglichen Aufgaben fordert ihren Tribut. Im Januar 1888 erleidet der 69-jährige einen Schlaganfall. Er bleibt schwer angeschlagen, daran ändern auch längere Kuraufenthalte im Süden wenig. Im Juni gründet der Patriarch die Leipziger Westend-Baugesellschaft, deren Gesellschafter seine fünf Töchter und Schwiegersöhne sind. Am 25. August 1888 stirbt Karl Heine in seiner Villa in Neuschleußig, auf dem Neuen Johannisfriedhof wird er beigesetzt.

Namenszug im Denkmalssockel

Heines Namenszug im Denkmalssockel

Unter seinem langjährigen Freund Ferdinand Goetz gründete sich 1892 ein Denkmalverein, für den der bekannte Leipziger Bildhauer Carl Seffner eine Heine-Statue entwirft. Zum Geburtstag der Heine-Witwe im April 1897 konnte es eingeweiht werden. Im Dezember 1937 wechselte das Denkmal für den nie vollendeten Wagner-Hain die Straßenseite, keine fünf Jahre darauf schmolz man die 9.000 kg Bronze für die Kriegswirtschaft ein. Seit 2001 ist der verwaiste Denkmalsockel durch einen Neuguss aus der Originalform wieder komplett.

 

Bildquelle: Redaktion EinDruck

 

Karl Heine, ein pragmatischer Visionär
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