Ein Streifzug entlang des Karl-Heine-Kanals
Die Zahl der Brücken in Leipzig wird gern und häufig unterschätzt. Mehr von ihnen gibt es in Deutschland nur noch in Hamburg und Berlin, selbst Venedig hat weniger Brücken als die Messestadt zu bieten. Derzeit existieren auf dem Stadtgebiet mehr als 450 Brücken und Stege.
Ein starkes Stück lokaler Geschichte können auch die vierzehn Brücken erzählen, die den Karl-Heine-Kanal überspannen. Der Kanal selbst entstand bei der Erschließung des Leipziger Westens. Sein Bau lieferte Material für flächenhafte Aufschüttungen in der sumpfigen Auenlandschaft, sorgte für die Entwässerung und ermöglichte die Nutzung von Brauchwasser durch neu angesiedelte Industriebetriebe.
Bereits wenige Meter nach der Mündung in die Elster unterquert der Kanal die Nonnenstraße mit einer Brücke, die vom Wasser aus gesehen eher einem überdimensionierten Dränagerohr ähnelt. Das Bauwerk wird vom zuständigen Leipziger Amt für Statistik und Wahlen unter dem Namen „Nonnenbrücke“ geführt. Die heute nur noch einbogige Ziegelgewölbe-Brücke stammt aus dem Jahr 1863, wurde mehrfach umgebaut und im Jahr 1998 in ihrer heutigen Gestalt saniert.
Die zweite Passage ist die ehemalige Eisenbahnbrücke zur Verladestation in der Gleisstraße, die 1883 entstand. Ende der 1990er Jahre erhielt die Brücke eine neue Funktion. Eine Stahlträgerkonstruktion mit einem Veranstaltungshaus überspannt seither den Kanal. Für fünf Jahre war es der Aufnahmeort für die Talkshow „Riverboat“ des Mitteldeutschen Rundfunks.
Keine namenlosen Bauwerke
Kurz darauf geht es bei Kanalkilometer 0,185 unter der Erich-Zeigner-Allee hindurch. Es ist die älteste der Kanalbrücken, 1858 errichtet und 1902 erneuert. Sie trägt seit dem Jahr 1900 den offiziellen Namen „Elisabethbrücke“, da die heutige Erich-Zeigner-Allee damals Elisabethstraße hieß. Parallel zum Kanal beginnt hier der Rad- und Wanderweg zum Lindenauer Hafen.
Knapp 180 Meter weiter führt die Zschochersche Straße über die nächste Brücke. Sie erhielt 1864 den Namen „Königs-Brücke“, da zu ihrer feierlichen Einweihung König Johann von Sachsen anwesend war. Zur Unterscheidung von anderen gekrönten Brückenpaten erhielt sie später den Namen „König-Johann-Brücke“. Die heutige Brücke wurde zwischen 1997 und 1999 in Stahlbeton-Bauweise mit einer Sichtverblendung aus Natursteinen neu errichtet.
Die folgende Stabbogenbrücke ist die jüngste der Kanalbrücken. Mit dem angrenzenden Stadtteilpark war sie ein Projekt der Weltausstellung Expo 2000. Der Park entstand auf dem Gelände einer Verladestation, noch heute zeugen die zu Radwegen umfunktionierten Eisenbahngleise von einer vergangenen Epoche der Technikgeschichte. Der architektonisch anspruchsvolle Brückenbau, errichtet aus Stahl und Hochleistungs-Leichtbeton, trägt den Namen „Karl-Heine-Bogen“.
Etwas schlichter steht die 1875 errichtete „Weißenfelser Brücke“ unmittelbar nach dem markanten Stelzenhaus. Mit der Plagwitzer Eingemeindung nach Leipzig legte man die Schul-, Post- und Bahnhofstraße zur Weißenfelser Straße zusammen. Die Brücke hätte also durchaus auch anders heißen können.
Mit „König-Albert-Brücke“ trägt der nächste Brückenbau wieder einen königlichen Namen. Er rührt von der Albert-Straße her, wie der Abschnitt der heutigen Karl-Heine-Straße hieß. Albert folgte seinem Vater Johann im Jahre 1873 auf den Thron. Mit dem Blauen Wunder in Dresden hatte die „König-Albert-Brücke“ zeitweise einen populären Namensvetter. Die in den Jahren 2009 und 2010 erneuerte Brücke markiert die heutige Flurgrenze zwischen den Stadtteilen Plagwitz und Lindenau.
Die nächste Kanalüberquerung entlang der Aurelienstraße ist eigentlich nur ein Steg, die noch vorhandenen Widerlager und Pfeiler zeugen von ihrer einstigen Breite. Die um 1876 errichtete Brücke sperrte man 1969 wegen Baufälligkeit.
Ebenfalls nach der sie überquerenden Straße trägt die „Gießerbrücke“ ihren Namen, sie folgte im Laufe des weiteren Kanal- und Revierausbaues im Jahre 1880 und erfuhr bereits in den frühen 1980er Jahren eine Erneuerung.
Wichtige Infrastruktur
Über die folgende „Gleisbrücke“ führte einst der Gleisanschluss Stammgleis P I vom Plagwitzer Bahnhof zur Verladestation an der Endersstraße. Heute ist sie als Fußgänger- und Radwegbrücke saniert, das Stationsgelände ist eine Parkanlage geworden. In der Neuverfilmung des Kinderbuch-Klassikers „Das fliegende Klassenzimmer“ von Erich Kästner gehörte die Brücke zu den Drehorten.
Keine einhundert Meter später folgt die „Engertbrücke“. Eigentlich sollte sie die „König-Friedrich-August-Brücke“ werden, doch die Bezeichnung von Brücke und Straße konnte sich nie richtig durchsetzen. Zur Krönung des letzten Königs Friedrich August III. war der Kanalbau bereits beendet, der sächsischen Monarchie verblieben nicht viel mehr als eineinhalb Jahrzehnte.
Hoch und schmal präsentiert sich die Eisenbahnbrücke, über die die Bahnstrecke von Leipzig nach Zeitz führt. Heine ließ sie im Jahre 1873 errichten, damit die lang erwartete Eisenbahnverbindung mit einem leichten Umweg den aufstrebenden Industriestandort Plagwitz an das Schienennetz anbinden konnte. Bei ihrer Errichtung war die Kanalbaustelle noch mehrere hundert Meter entfernt.
Über Jahrzehnte gewachsen
In einem anderen Format zeigt sich die Saalfelder Brücke. Der letzte Kanalabschnitt ist mit 20 Metern wesentlich breiter als die fünfeinhalb Meter an der zurückliegenden Eisenbahnbrücke. Beim Kanalbau konnte man hier starke Kies- und Sandschichten gewinnen, begehrte Materialien für den Bauboom an der Wende zum 20. Jahrhundert.
Es folgt eine offiziell namenlose Fußgängerbrücke, für die sich die Bezeichnung „Birminghambrücke“ hartnäckig hält. Der Gedanke, dass man in die Partnerstadt Birmingham über eine Leipziger Kanal-Brücke gelangen kann, hat seinen Charme. Der ursprüngliche Holzsteg ist inzwischen einer Stahlkonstruktion gewichen.
Die nächstfolgende Eisenbahnbrücke wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Neben der ehemaligen Mörtelfabrik sind noch die Reste eines Pfeilers und ein Widerlager zu finden. Über sie führte ein Gleisanschluss entlang des heutigen Rad- und Wanderweges bis zur Verladestation Endersstraße.
Den Schlusspunkt bildet die „Luisenbrücke“, die 1898 nach langen Streitigkeiten mit der Stadt errichtet werden konnte. Sie bezog ihren Namen von Prinzessin Luise. Gattin des letzten sächsischen Königs war sie bis Heiligabend 1902, als sie mit dem Französischlehrer der Prinzen durchbrannte. Mittlerweile ist die Brücke, die die Lützner Straße über die jahrzehntelang trockene Kanalgrube und Industriegleise führte, erneuert. Mit dem Durchstich zum Lindenauer Hafen wurde sie am 15. Januar 2015 zu einer „richtigen“ Kanalbrücke.
Bildquelle: Redaktion EinDruck
Sehr gut!
Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken.
Isaac Newton